Fashion meets Tech: Wie KI die Modebranche umkrempelt

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20 Jahre ist es inzwischen her, seit die sogenannte Dotcom-Blase geplatzt ist. Die Start-up- und Gründerszene, die New Economy, ist dem zum Trotz lebendiger denn je, in stetigem Wachstum und Weiterentwicklung begriffen. Wir sprechen mit Julia Bösch, Mit-Gründerin der Outfittery, die uns verraten wird, wie Algorithmen die Art und Weise, wie wir Mode online einkaufen, nachhaltig verändern – und wohin die digitale Reise geht.

“"Auch ein ganz großes Thema war, auch im Lock-Down, auf einmal haben wir ganz viel Nachfrage nach Base-Caps bekommen. Ich habe das am Anfang nicht verstanden, warum auf einmal alle, wenn sie zu Hause sitzen eine Base-Cap brauchen. Und der Grund war, dass man ja nicht zum Frisör gehen konnte und zusätzlich natürlich auch viele Sport gemacht haben. Dann noch nicht unter der Dusche waren und dann für den zoom-Call die Base-Cap aufgesetzt haben." ”

— Julia Bösch

Guest List

  • Julia Bösch CEO & Co-Gründerin Outfittery
  • Benjamin Krebs Moderator, Dell Technologies
  • Roland Schäffer Co-Moderator, Dell Technologies

Die Route ist berechnet. Ziel 2030.

 

Roland Schäffer: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge auf der Road to 2030, dem Podcast zu Technologie und Gesellschaft von Dell Technologies. Unser heutiger Gast ist Julia Bösch, Digital-Unternehmerin und Gründerin der Online-Mode-Plattform Outfittery. Ich bin Roland und ich werde euch als euer Content-Beauftragter wie gewohnt mit leckeren Content-Happen versorgen. Ich hoffe, ihr seid bereit. Anschnallen nicht vergessen! #00:00:35.5#

 

Benjamin Krebs: Auch von meiner Seite herzlich willkommen, Julia! Freut mich sehr, dich heute zu Gast zu haben. Du bist eines der bekanntesten Gesichter der deutschen Gründerszene. Mit deinem Unternehmen Outfittery bietet ihr personalisierte Mode für Männer an, die von digital unterstützten Style-Beratern ausgewählt werden. Interessantes Geschäftsmodell, wo man wirklich sieht, dass man auf der Basis von Daten auch digitale Geschäftsmodelle voranbringen kann. Und genau darüber wollen wir uns heute mit dir unterhalten. Ich sehe, du bist angeschnallt. Von daher kann es losgehen. Bevor wir aber loslegen, wer dich noch nicht kennt, magst du dich unseren Hörern vielleicht noch kurz in ein paar eigenen Worten vorstellen? #00:01:23.4#

 

Julia Bösch: Sehr gerne. Ich bin Julia, Gründerin und CEO von Outfittery. Und unsere Mission bei Outfittery ist es, unseren Kunden eben eine personalisierte Modeberatung zur Verfügung zu stellen. Das heißt, unsere Kunden müssen sich nicht durch Hunderttausende von verschiedenen Artikeln wühlen, sondern wir stellen ihnen auf Basis eines Online-Fragebogens genau die Looks und Teile zusammen, die zu ihnen passen, die sie toll aussehen lassen, und begleiten die Kunden da typischerweise auch über mehrere Jahre. #00:01:59.8#

 

Benjamin Krebs: Wirklich eine sehr interessante Geschäftsidee. Wie seid ihr denn überhaupt auf die Idee gekommen oder wie bist du auf die Idee gekommen? #00:02:09.6#

 

Julia Bösch: Die Inspiration für Outfittery kommt aus New York, dort war ich mit meiner Mitgründerin und einem Freund unterwegs. Und dieser Freund ist, würde ich sagen, ein typischer männlicher Shopper, nämlich er möchte gut aussehen, aber möglichst wenig Zeit mit dem Shopping an sich verbringen und hatte davor auch nicht so viel Spaß dran gefunden. Und der hat sich in New York einen Personal Shopper geleistet. Das heißt, in den USA ist das ein Luxus-Service, würde ich sagen, das heißt, man beauftragt jemand, der dann für mich individuell Dinge in verschiedenen Boutiquen zusammenstellt. Das hat er gemacht und danach war total begeistert. Das erste Mal glücklich nach dem Shopping, sah sehr gut aus und hatte viele Tüten in der Hand. Und dann haben wir überlegt: Wie können wir denn diese Erfahrungen, die in New York 100 Dollar die Stunde kostet, wie können wir das online anbieten, und vor allem auch so einen Luxus-Service wirklich kostenlos anbieten, sodass viel mehr Menschen davon noch profitieren können? #00:03:17.0#

 

Benjamin Krebs: Das ist eine tolle Story, wirklich aus dem wahren Leben inspiriert und sicherlich eine coole Idee. Es ist ja so, ich meine, wir schauen uns heute das Thema Zukunft von Fashion und Shopping unter anderem an. Und wenn man sich die Welt des Handels anschaut, dann wurde eigentlich schon 1996 durch die Gründung damals von Amazon der Start dieser, ich sag mal, Disruption im Handel über den Einzug von Internet gestartet. Das ist eines der einschneidendsten Ereignisse, die passiert sind. Allerdings sind danach natürlich auch noch ganz viele tolle weitere Unternehmen gegründet worden. Und eben unter anderem auch in der Branche, über die wir jetzt heute spezifischer reden, nämlich das Thema Modehandel. Ihr selber habt den Namen Outfittery gewählt. Das ist ja eigentlich fast schon, in Deutschland zumindest, ein Inbegriff für das Thema Curated Shopping. Du hast uns gerade erklärt, was da dahintersteckt, dass man wirklich personalisiert seine Lieblingsstücke direkt ausgewählt bekommt auch als Look. Wenn man sich das anschaut, dann ist das sehr stark auf Männer zugeschnitten bei euch, und du hast ja auch gesagt, das war der Freund, war der klassische Männer Shopper. Ist es tatsächlich so ein großer Unterschied, wie Männer und Frauen einkaufen? Oder warum bezieht sich dieses Angebot so stark auf die männliche Shopping-Welt? #00:04:46.6#

 

Julia Bösch: Es gibt auf jeden Fall große Unterschiede im Shopping-Verhalten zwischen Frauen und Männern. Frauen kaufen sehr viel häufiger, sind auch leichter Mal für eine neue Marke oder einen neuen Service zu gewinnen, sind dann aber auch nicht so loyal. Und bei Männern ist es genau andersrum. Männer kaufen nicht so häufig, aber dann, wenn sie sozusagen schon dabei sind, gerne auch viel. Und wenn sie eben eine Marke gefunden haben oder wie in unserem Fall einen Service, der ihnen zusagt, dann bleiben sie auch lange mit dabei. Das ist einer der Gründe, warum wir Outfittery erst mal exklusiv für Männer gelauncht haben. Wir wollten auch wirklich eine Marke für Männer etablieren, weil Männermode ganz oft irgendwo ganz hinten im Laden oder irgendwo im Keller ist. Und wir wollten da wirklich was für die Männerwelt tun. Jetzt, wo wir aber den Service weit ausgebaut haben, die Technologie gebaut haben, es spielen auch viel Algorithmen eine Rolle in unserem Service, finden wir es auch sehr spannend, in Zukunft eben Outfittery auch für Frauen zur Verfügung zu stellen. #00:05:59.9#

 

Roland Schäffer: Modedesigner Wolfgang Joop hat einmal gesagt: „Der Mann hat sich selber als Lustobjekt entdeckt und wartet nicht mehr darauf, dass Mutti ihn anzieht.“ Julia, findest du das jetzt konträr zu der Meinung? #00:06:10.5#

 

Julia Bösch: Nein, das unterstütze ich absolut. Das ist auch, was wir feststellen. Männer haben wieder mehr Spaß an der Mode und das finden wir total gut und da spielen wir auch mit rein. Also viele Kunden kommen zu uns und sagen: Ich möchte eigentlich mal was Neues ausprobieren, eine neue Marke kennenlernen. Ich wollte schon immer mal so eine coole Lederjacke haben. Könnt ihr mir da helfen? Und könnt ihr mir Inspiration zur Verfügung stellen? Das heißt, unser Ziel ist im Endeffekt, dem Kunden eine Auswahl zur Verfügung zu stellen, wo er sagt: Mensch, das trifft den Nagel genau auf den Kopf und da sind auch ein paar Teile dabei, die hätte ich mir so selber im Laden nicht aus dem Regal genommen. Aber jetzt, wo ihr mir das empfohlen habt und ich habe das zu Hause anprobiert, das ist jetzt mein neues Lieblingsteil. Daher finden wir das einen total tollen Trend, dass auch Männer sich mehr trauen und mehr Lust haben sich auch auszuprobieren modisch. #00:07:11.3#

 

Benjamin Krebs: Mensch, Julia, das hört sich wirklich toll an. Das heißt, ihr inspiriert und evolutioniert die männliche Modewelt gleichzeitig. Das ist wirklich toll. Wenn ich mir das so anhöre, hört sich das auch wirklich, glaube ich, für einige andere Männer, die ich so kenne, durchaus interessant an, und wo man sich das wirklich auch so wünschen würde oder wünschen kann. Wenn wir uns anschauen, dass das Internet viele Dinge revolutioniert hat, wir haben vorhin gesagt, gerade den Handel sicherlich sehr stark auch mit beeinflusst hat, denkst du, dass das Internet an sich auch den Weg, wie wir Mode auswählen und auch wie wir Mode kaufen, verändert hat? #00:07:52.6#

 

Julia Bösch: Absolut! Also zu 100 %. Es ist eben interessant zu sehen, in welchen Evolutionsschritten das passiert. Also durch die Online-Shops wie ein Amazon, Zalando und so weiter sind eben jetzt alle Artikel, alle Marken weltweit verfügbar geworden. Das heißt, egal wo ich bin, ich habe Zugriff auf die komplette globale Modewelt, was extrem spannend ist. Und was aber gleichzeitig eben für viele auch überfordernd ist und einfach zu viel ist. Bisher ist die, sage ich mal, Online Penetration im Mode-Retail-Bereich immer noch nur bei irgendwo 10 bis 20 %. Ich glaube, der Wert ist deshalb so niedrig, weil eben Mode nicht nur ist, ich weiß ganz genau, was ich will und ich habe irgendwie die Artikelnummer und suche und filtere danach, sondern Mode hat ganz viel damit zu tun: Wer bin ich eigentlich als Persönlichkeit? Wer will ich sein? Was will ich ausdrücken? Und auch Spaß damit zu haben und sich inspirieren zu lassen. Deshalb gehen wir eben so stark auf das Thema Inspiration und Personalisierung, weil wir glauben, dass das der nächste Evolutionsschritt im Thema Mode online kaufen ist, weil es eben nicht nur darum geht, genau zu wissen, was man möchte, sondern auch mal zu sagen: Hm! Ich habe irgendwie einen Anlass, eine Hochzeit, auf die ich eingeladen bin, oder ich fange einen neuen Job an und möchte da einfach auch mich in meiner Garderobe weiterentwickeln. #00:09:27.4#

 

Benjamin Krebs: Wenn du dir das mal anschaust von dem, entweder was ihr anbietet und an Feedback bekommen habt, oder vielleicht auch von dem, was ihr noch nicht anbietet und was ihr dann an Feedback bekommt, was ist denn so der größte Wunsch, was sich die Verbraucher aus eurer Erfahrung wünschen? #00:09:43.7#

 

Julia Bösch: Bei uns ist es so, dass wir erst mal auch den Kunden ganz genau kennenlernen. Wenn sich ein Kunde bei Outfittery anmeldet, geht er durch einen Online-Fragebogen, dann lernen wir ihn als Person kennen. Also wir fragen zum Beispiel nicht, wie alt bist du, sondern wir fragen, wie alt fühlst du dich, weil uns das mehr sagt. Und fragen dann auch ab, wieviel gibt er gerne aus für die verschiedenen Artikel, wieviel für Schuhe, wieviel für Hosen, welche Marken mag er, was mag er überhaupt nicht? Von daher bekommen wir wirklich ein sehr, sehr gutes Gefühl dafür, was sich Kunden wünschen. Und das entwickelt sich natürlich dann auch über Zeit. Also in der ersten Outfittery-Box wollen viele die komplette Outfit-Erfahrung, also sagen dann irgendwie: Stell mir mal zwei Looks zusammen und schick mir die zu. Und dann, wenn wir schon länger zusammenarbeiten, ist es auch oft so, dass man sagt: Ich brauche jetzt eigentlich nur ein paar Polos für mein Homeoffice, kannst du mir da was zuschicken, was zu dem passt, was ich schon bei euch gekauft habe und die Garderobe, die ich schon mit euch aufgebaut habe? Und jetzt speziell Thema Homeoffice, in den letzten Monaten war es extrem spannend, wie sich da die Nachfrage auch verändert hat extrem schnell. Also Thema Jogginghose, das ist wirklich explodiert im Umsatz, in allen Formen und Farben. Was auch ein ganz großes Thema war, auch im Lockdown, auf einmal haben wir ganz viel Nachfrage nach Basecaps bekommen. Ich habe das am Anfang nicht verstanden, warum jetzt auf einmal alle, wenn sie zu Hause sitzen, ein Basecap brauchen. Der Grund war, dass man nicht zum Friseur gehen konnte und zusätzlich viele halt auch Sport gemacht haben, dann noch nicht unter der Dusche waren und einfach für den Zoom-Call kurz die Basecap aufgesetzt haben. So ist es extrem spannend dadurch, dass wir so nah an den Kunden sind, direkt zu verstehen, was ist gerade spannend, was ist interessant, und das dann zu liefern. Das andere Thema, was bei unseren Kunden total beliebt ist, ist einfach alles, was sozusagen guter Sitz und Komfort ist. Wir haben mittlerweile auch exklusive eigene Marken entwickelt, wo wir auch Produktinnovationen machen. Wir haben zum Beispiel die bequemste Chinohose entwickelt. Also die läuft wirklich auch extrem gut, weil die eigentlich sitzt wie die genannte Jogginghose, aber auch super aussieht. Und das sind so die Themen. #00:12:30.1#

 

Benjamin Krebs: Ihr habt euch 2012 gegründet, das heißt jetzt also acht Jahre. Was war denn für euch so das größte Learning auf diesem Weg seit Gründung bis zum heutigen Zeitpunkt? #00:12:42.1#

 

Julia Bösch: Ich würde sagen, das größte Learning ist und bleibt, sich am Kunden zu orientieren, also sich nicht irritieren zu lassen von irgendwelchen Bewegungen im Markt oder Wettbewerbern, sondern das Interessanteste und wo man am meisten lernt, ist immer mit dem Kunden. Und das haben wir von Anfang an so gemacht. Also wir haben auch bei der Gründung uns jetzt nicht monatelang eingeschlossen, was entwickelt und das dann, sozusagen Vorhang auf, präsentiert, sondern sind eigentlich nach zwei oder drei Monaten schon mit einem MVP, was im Endeffekt ein auf Google Sheets basierter Fragebogen war, an den Kunden gegangen und haben einfach mit den Kunden eigentlich das Produkt entwickelt. Und so arbeiten wir auch heute, das heißt, wir haben jetzt über die letzten Monate zum Beispiel gelernt, dass viele Kunden sich wünschen würden, auch selbst sozusagen mehr interagieren zu können mit unseren Empfehlungen und Empfehlungen zu bekommen auf Basis dessen, was sie schon bei uns gekauft haben. Dementsprechend haben wir jetzt ein neues Produkt an den Start gebracht oder einen neuen Service, den nennen wir „Deinen Shop“. Dort können unsere Bestandskunden sehen, was habe ich schon bei Outfittery gekauft und was wird mir jetzt auf Basis dessen empfohlen, also zu der blauen superbequemen Chino, die ich vor drei Monaten gekauft habe, welche anderen Herbst-Looks passen jetzt dazu, und können das dann direkt auf der Website oder in der App kaufen. Und so entwickeln wir mit den Kunden und an dem Kunden uns ständig weiter. #00:14:25.4#

 

Benjamin Krebs: Du hast auch super jetzt schon das Thema reingebracht, dass ihr natürlich auch Empfehlungen aussprecht. Ich denke, das haben wir am Anfang ganz kurz angerissen, es geht bei euch im Geschäftsmodell auch viel um das Thema Fashion und Technologie. In unserem Podcast Road to 2030 von Dell Technologies ist durchaus natürlich auch der ein oder andere technologieaffine Hörer damit dabei, deswegen ist es sehr spannend zu sehen, wie die Digitalisierung die Veränderung unseres Lebens prägt. Bei euch ist es ja auch so, dass ihr Künstliche Intelligenz unter anderem einsetzt, um möglichst passgenaue Beratung zu machen. Ihr habt so einen digitalen Style-Berater. Wenn ich das richtig verstanden habe, ist das eine Kombination aus Technologie und Human Intelligence. Da wollte ich mal fragen, wie funktioniert das ganz praktisch? Also wie geht ihr da hin, um zu verstehen tatsächlich, was will der Kunde? #00:15:21.3#

 

Julia Bösch: Das ist tatsächlich der Kern von Outfittery und extrem spannend. Weil es wird ganz viel darüber diskutiert, sozusagen über den Kampf zwischen Mensch und Maschine, und was ist jetzt besser, Algorithmus oder menschliche Intelligenz? Und wir glauben, dass die Kombination von beidem das ist, was wirklich alles schlägt. Das heißt, wir kombinieren auf der einen Seite mittlerweile über 20 Algorithmen, die natürlich alle Datenpunkte, die wir jemals über den Kunden gesammelt haben, die der Kunde uns gegeben hat, verarbeiten können, von mittlerweile einer Million Kunden. Und auf der anderen Seite der Stylist, der die menschliche persönliche Verbindung zum Kunden hat, der auch weiß, was sind die Trends, die in der Zukunft kommen, der einfach ein Experte auf seinem Gebiet ist. Und dadurch, dass der Stylist vom Algorithmus unterstützt wird und ihm gesagt wird in unserem System, dieser Pulli für diesen Kunden bitte nicht auswählen, weil diese Farbe, hat der Kunde uns schon mal gesagt, findet er total doof. Dadurch kann sich der Stylist eben auf die Kreativität konzentrieren und wirklich darauf konzentrieren, tolle Looks zusammenzustellen, neue Ideen, Inspiration für den Kunden zu bringen. Das System funktioniert so, dass im Endeffekt, die Customer Experience ist wie so ein ständiger Feedback-Loop. Das heißt, der Kunde meldet sich an, füllt den initialen Fragebogen aus, dadurch haben wir schon mal so ungefähr 200 Datenpunkte über den Kunden. Und diese Datenpunkte fließen dann ein in unser System und generieren eine Empfehlung für den Stylisten. Das heißt, der Stylist sieht dann, was sind die Outfits und was sind die Artikel mit der höchsten Behalte-Wahrscheinlichkeit für diesen individuellen Kunden. Und wählt dann auf der Basis aus, was ist die Selektion, die ich für den Kunden machen möchte. Der Kunde bekommt das vorab noch mal online zugeschickt, kann dann auch Feedback zu der Auswahl geben. Das ist wiederum ein Datenpunkt, der wieder zurück in den Algorithmus geht. Und dann, ganz wichtig, sobald der Kunde die Auswahl von uns zu Hause hat, das ganz bequem anprobiert, wenn er sich entscheidet, was sind die Sachen, die ich behalten möchte, was sind die Dinge, die ich zurückschicken möchte, dann gibt er uns da eben auch wieder ganz detailliertes Feedback. Und daraus lernen wir. Das heißt, wir wissen dann, diese Hose war an den Oberschenkeln zu eng, dieses Material war für den Kunden zu kratzig. Und das alles geht dann wieder in die Empfehlungen beim nächsten Mal, und somit sind wir sozusagen wie ein Freund, der mich über Zeit immer besser kennenlernt, beziehungsweise eigentlich, wenn man sozusagen in der Historie zurückspult, so ein bisschen wie in einer inhabergeführten Boutique, wo der Besitzer jeden Kunden ganz genau kennt, und wenn der Kunde reinkommt, dann sagt der: Hallo Benny! Super, dass du da bist. Setz dich hin, hier ist ein Kaffee, ich habe eine ganz tolle Idee für dich. Das ist im Endeffekt unser Ziel, und das in einer skalierbaren Form durch Technologie zur Verfügung zu stellen. #00:18:44.7#

 

Benjamin Krebs: Hervorragend! Das klingt wirklich ganz toll. Und du hast schon wieder das nächste Thema angesprochen: Technologie. Wie hoch ist die Rolle von Technologie für euer Geschäftsmodell? Du hast gesagt, das ist eine Kombination aus Human und Artificial Intelligence, aber man muss so einen Service ja auch auf eine wirtschaftliche Art und Weise anbieten. Du hast gesagt, in New York 100 Dollar die Stunde, bei euch kostenlos. Das heißt, wie hoch ist da die Rolle von Technologie, das tatsächlich auch kosteneffizient dann anbieten zu können, um eben diese menschliche Komponente weiterhin mit reinbringen zu können? #00:19:23.4#

 

Julia Bösch: Das ist natürlich hoch und im Endeffekt unser Modell funktioniert dadurch, dass wir keine Ladenflächen haben, die wir finanzieren müssen, sondern wir investieren das alles in den Service. Unsere Technologie-Plattform ermöglicht es dem Kunden, dieses Feedback zu geben, uns ermöglicht es, das zu verarbeiten. Und natürlich auch über Zeit können wir auch pro Stylist immer mehr Kunden glücklich machen sozusagen. Also am Anfang von Outfittery hatten wir noch gar keine Algorithmen, weil wir hatten ja auch gar keine Datenpunkte, aus denen diese Algorithmen hätten lernen können. Und mittlerweile haben wir 1 Million Kunden in 9 europäischen Märkten und haben schon 5 Millionen Outfits zusammengestellt. Das heißt, da kann man viel mehr auch automatisieren und den Stylisten unterstützen. Nichtsdestotrotz wie gesagt, glauben wir eben sehr stark an diese Kombination. Wir haben aktuell 150 Stylisten. Es wird immer wieder gefragt: Die sind echt und die interagieren mit unseren Kunden und ziehen daraus auch ihre Motivation. #00:20:38.3#

 

Benjamin Krebs: Work from Home war da wahrscheinlich schon immer Reality, oder? #00:20:42.2#

 

Julia Bösch: Absolut! Genau. Ja. #00:20:44.6#

 

Benjamin Krebs: Sehr gut! #00:20:45.0#

 

Julia Bösch: Das kann man wirklich von überall machen. #00:20:47.5#

 

Benjamin Krebs: Super! #00:20:48.7#

 

Roland Schäffer: Ihr zwei seht doch schon ganz schön hungrig aus. Jetzt krame ich noch mal kurz in meiner Snack-Box. Die Netzaktivistin und langjährige Sprecherin des Chaos Computer Clubs, Constanze Kurz, sagte einmal: „Zu niemandem ist man ehrlicher als zum Suchfeld von Google.“ Julia, ist das auch deine Meinung und steigert sich die Auskunftsfreudigkeit deiner Kunden so langsam mit der Zeit? #00:21:08.9#

 

Julia Bösch: Das ist sehr spannend. Ja. Was wir tatsächlich sehen, ist, dass die Kunden mit uns offener sind, als sie das im Laden mit einem Verkäufer sind. Ich glaube, das kommt daher, dass wir einfach schon durch das Digitale eine gewisse Distanz haben. Das heißt, wenn jemand direkt vor mir steht, dem zu sagen, was so meine Problemzonen sind und was ich gerne vielleicht ein bisschen kaschieren würde, ist viel schwieriger, als wenn ich mit meinem Outfittery Stylisten online chatte oder den am Telefon habe. Ja, das sehen wir auf jeden Fall, dass sich Kunden da sehr stark öffnen. Und das schätzen wir natürlich auch. #00:21:54.2#

 

Roland Schäffer: Das ist echt cool. Also dass die Distanz durch das Digitale gleichzeitig zunimmt und gleichzeitig abnimmt, je nachdem in welcher Relation man das sieht, ist natürlich echt bewundernswert. Wieviel Datenmengen generiert das Ganze denn eigentlich, diese virtuellen Stylisten und euer Algorithmus? #00:22:15.1#

 

Julia Bösch: Wir haben pro Kunde mindestens 200 Datenpunkte. Das heißt, es sind die Daten aus dem Fragebogen, das sind Daten aus Dingen, die er behalten hat oder zurückgeschickt hat, das ist Feedback. Wir haben auch sozusagen in unserer App die Möglichkeit, dass ich durch links und rechts swipen, wie ich das sonst aus dem Dating kenne, Artikel gut finde oder nicht gut finde. Das heißt, auch spielerisch da die Möglichkeit uns schlauer zu machen. Und auf der anderen Seite kennen wir auch unsere Artikel im Sortiment sehr gut. Das heißt, wir vermessen die ganz detailliert, damit wir sehr genau sagen können: Lieber Kunde, normalerweise trägst du die Levis 501, folgende Jeans würde dir auch gut passen. Also um diese Übersetzung gut machen zu können und für den Kunden möglichst sicherstellen zu können, dass ihm die Dinge, die wir ihm empfehlen und schicken, auch passen. #00:23:14.7#

 

Benjamin Krebs: Wie ist denn das, wir haben vorhin kurz Technologie auch angesprochen, jetzt die Datenmengen auch ein bisschen, habt ihr da so ein eigenes Rechenzentrum oder Supercomputer sogar, um sowas zu realisieren? Oder wie kann man sich das bei euch vorstellen, was die digitale Infrastruktur anbelangt? #00:23:31.0#

 

Julia Bösch: Wir sind in der Cloud von der Infrastruktur her, und wir haben ein 60-köpfiges Tech-Team in den verschiedenen Bereichen. Das heißt, digitales Produktmanagement, also die sich darum kümmern, unseren Service weiter zu entwickeln, so Dinge wie „Dein Shop“ entwickeln. Dann die IT-Entwickler. Und dann auch, bei uns natürlich besonders wichtig, das Data-Science-Team, die an den Algorithmen arbeiten und ständig die Algorithmen A/B-testen, um unsere Empfehlungen für die Kunden über Zeit immer besser zu machen. Das heißt, unser Kern und unser Ziel ist im Endeffekt, ein Data Flywheel, wo wir, umso mehr Kunden wir bei Outfittery haben, desto mehr Daten haben wir und desto mehr Daten wir haben, desto besser wird der Service, und umso besser der Service ist, desto mehr Kunden haben wir wieder. Und das zu beschleunigen und dafür zu sorgen, dass der Service über Zeit für jeden einzelnen Kunden besser wird, aber auch für alle Kunden besser wird, das ist im Endeffekt die die Aufgabe der Technologie-Plattform. #00:24:46.4#

 

Benjamin Krebs: Sehr spannende Einblicke in die Technologie dahinter. Wenn wir uns jetzt das Online-Shopping-Erlebnis von morgen anschauen, inwieweit würden Technologien wie zum Beispiel Virtual Reality dieses Erlebnis noch interaktiver und noch besser gestalten? #00:25:00.7#

 

Julia Bösch: Da gibt es extrem viele Möglichkeiten, Dinge zu tun. Wir wollen natürlich in Zukunft dem Kunden seine Looks, bevor er die nach Hause bekommt zum Anprobieren, auch virtuell an sich selbst zeigen. Das ist ein ganz großes Thema für uns, also damit er sehen kann, wie sieht das dann an mir mit meiner Körpergröße, mit meiner Körperform aus, damit man sich das besser vorstellen kann. Das ist ein ganz großes Thema. Ein anderes Thema, was wir sehr spannendfinden, ist das Thema intelligenter Kleiderschrank. Man stelle sich vor, dass in der Zukunft mein Kleiderschrank mit tracken, wenn ich das möchte, was ich eigentlich getragen habe. Das würde es uns natürlich noch mal vereinfachen oder unsere Empfehlungen noch besser machen, weil wir auch wirklich wissen, was wird eigentlich genutzt von den Dingen, die wir empfohlen haben. Plus, wenn ich das als Kunde möchte und sozusagen die volle Convenience haben möchte, könnten wir dir auch jeden Morgen auf Basis des Wetters vor Ort und deines Kalenders eine Empfehlung machen, das sind die 3 Looks, die du heute tragen könntest. Das kann man beliebig weiterspinnen, was wir da zur Verfügung stellen können. Das finden wir extrem spannend. #00:26:22.7#

 

Benjamin Krebs: Ganz ehrlich, finde ich auch eine superinteressante Aussicht. Und es gibt bestimmt auch den ein oder anderen Einblick auf vielleicht nichtgenutzte Teile, die man für sich selber immer ein bisschen, nicht so ganz realisiert. Ich denke, das kann uns auch toll in die nächste Richtung führen zum Thema nachhaltiger Modehandel, Fashion und Sustainability. Wir sagen ja Road to 2030. Wie kann sich denn aus deiner Sicht auch das ökologische Thema im Modehandel weiter nach vorne bewegen? Ein großes Thema sind da auch die Retouren, die wir haben. Das ist wenig klimafreundlich. Außerdem ist es natürlich auch nicht besonders gut für die Preisgestaltung. Nachhaltigkeit im Modehandel ist ein großes Thema. Inwieweit beschäftigt das auch dich und die Outfittery? #00:27:12.8#

 

Julia Bösch: Das beschäftigt uns bei Outfittery sehr stark. Es ist uns sehr, sehr wichtig, ist auch unseren Kunden sehr wichtig. Also wir wissen, dass 70 % unserer Kunden nachhaltiger einkaufen möchten, dass sie aber einfach ganz oft gar nicht wissen: Welcher Marke kann ich vertrauen? Was ist denn jetzt genau Organic? An wen kann ich mich wenden? Und da helfen wir. Wir haben viele nachhaltige Marken im Sortiment und mittlerweile auch ein Großteil der Artikel, die wir anbieten, sind nachhaltig. Aber das ist für uns nur eins der Elemente. Was für mich da auch mit rein spielt, ist, dass ich nicht Sachen kaufe, zweimal anziehe und dann liegen sie, wie gerade gesagt, im Kleiderschrank, sondern dass ich mehr auf Qualität und Langfristigkeit gehe. Das ist auch was, in die Richtung beraten wir sehr stark. Und bei Männern ist es zum Glück auch so, dass Männer sehr offen sind für gute Qualität und Dinge auch länger zu tragen, als es vielleicht bei Frauen der Fall ist. Aber das ist für mich ein ganz großer Teil. Und dann, klar, mit dem Thema Retouren, umso besser man den Kunden versteht und umso besser man auch dem Kunden visualisieren kann, wie sieht das denn an mir aus, desto weniger muss man natürlich hin und her schicken. #00:28:41.1#

 

Roland Schäffer: Zum Thema Retouren, Julia, habe ich ein paar interessante Zahlen. Und zwar laut einer Studie von McKinsey versenden wir bis heute weltweit 100 Milliarden Pakete. Bis 2030 könnte sich die Zahl noch verdoppeln, also 200 Milliarden Pakete. Und die aktuelle Situation befeuert den Trend immer weiter. DHL hat zwischenzeitlich über 8 Millionen Pakete pro Tag in Deutschland gemeldet. Das ist das gleiche Level wie normalerweise die Weihnachtszeit. Wie seht ihr diesen Trend ansteigen und wie hat die aktuelle Situation die Paketsituation bei euch denn beeinflusst? #00:29:14.5#

 

Julia Bösch: Ja, das ist sehr, sehr spannend. Auf jeden Fall, dadurch dass die Menschen jetzt zu Hause sind, ist natürlich der Online-Handel extrem gestiegen, auch im Modebereich sieht man diesen Trend. Also da gibt’s verschiedene Studien dazu, irgendwie zwischen 5 und 10 Jahren haben wir das jetzt, sozusagen diesen Trend beschleunigt. Das ist natürlich extrem spannend für unsere Industrie, wie sich das jetzt weiterentwickeln wird. #00:29:44.9#

 

Benjamin Krebs: Ich denke, wir haben vorhin auch gehört, inwieweit ihr dort einen Beitrag zu gedenken leistet, indem die Kunden einfach noch glücklicher und auch langfristiger zufrieden sind mit dem, was sie bei euch kaufen. Eine reine Interessensfrage: Inwieweit geht das einher mit dem oftmals auch verankerten Modebegriff, dass Mode eine Zeiterscheinung ist? #00:30:08.2#

 

Julia Bösch: Wie meinst du das? #00:30:10.9#

 

Benjamin Krebs: Ich meine, du hast vorhin gesagt, dass ihr die Kunden dahin beratet, dass sie die Stücke auch gerne lange und oft anziehen. Jetzt ist es aber so, viele Menschen verbinden mit Mode auch tatsächlich eine zeitlich begrenzte Erscheinung. Wie passt das zusammen? #00:30:25.3#

 

Julia Bösch: Das passt insofern zusammen, als dass du natürlich dich auch über Zeit als Persönlichkeit irgendwie veränderst und immer mal wieder was Neues haben möchtest. Das, glaube ich, bleibt auch, und das ist der Mode irgendwo inhärent. Aber was uns wichtig ist, ist, wir wollen unsere Kunden nicht verkleiden, wir wollen nicht sagen, das ist der neue Trend und das müssen jetzt alle haben. Oder nur, weil wir in Berlin sitzen, müssen jetzt alle wie Berliner Hipster rumlaufen. Sondern es geht darum, den Kunden zu verstehen, wer ist das, wer möchte er sein und wie können wir am Ende einfach diesem Kunden helfen, dass er jeden Morgen aufsteht und noch mehr Lust auf seinen Tag hat, weil wir ihm irgendwie tolle Looks zur Verfügung gestellt haben. Ich glaube, diesen Moment kennt jeder, wenn man was Neues hat und irgendwie ein Sakko zum Beispiel, was man dann so anzieht und sich einfach so ein Stück größer fühlt und selbstbewusst fühlt und sich einfach gut fühlt. Und das ist das, was wir leisten wollen. #00:31:35.6#

 

Benjamin Krebs: Ich denke, das ist ein super Ziel. Und ich habe mir da auch schon so meine Vorstellung gemacht, dass ihr das mit dem, was ihr dort beschreibt, wirklich auch gut erreichen könnt. Eines unserer Moonshot Goals, unserer Goals 2030, ist tatsächlich das Thema Sustainability und Nachhaltigkeit, worüber wir gerade gesprochen haben. Ein anderes großes Thema ist bei uns das Thema Equality. Wir sind ein Technologieunternehmen, du bist auch ein Unternehmen, oder ihr habt auch ein Unternehmen, was aus dem Technologiebereich sehr stark kommt, unser Anliegen, das Thema Female Leadership noch weiter nach vorne zu bringen, ist ein sehr großes. Ich wollte dich mal fragen, wie das Thema bei dir im Unternehmen vertreten ist, was weibliche Leader anbelangt, und was ihr auch als Unternehmen und du auch persönlich als eine der Forbes Europe Top 50 Women in Tech für das Thema Female in Tech tust? #00:32:39.3#

 

Julia Bösch: Es gibt leider immer noch viel zu wenig Gründerinnen und auch viel zu wenig Frauen in Führungspositionen. Also bei Gründerinnen, 15 % aller Gründer sind Frauen, und damit können wir uns auf jeden Fall nicht zufriedengeben, da muss viel mehr gehen. Wenn ich bei uns aufs Team schaue oder unsere Diversität angucke, dann haben wir im Management-Team ungefähr 50:50 Frauen und Männer, und in unserem Beirat sogar 60 % Frauen, worauf wir sehr stolz sind. Das haben wir jetzt nicht durch eine Quote erreicht, sondern vor allem im Team auch einfach dadurch erreicht, dass wir wahnsinnig tolle Frauen haben, die mit uns arbeiten wollen. Und der Grund dafür ist, dass sie mit anderen starken Frauen arbeiten möchten. Deshalb glaube ich einfach, das Thema Vorbild ist sehr, sehr wichtig. Wenn man nicht ein, zwei, drei Frauen im Führungsteam hat, dann wird man auch diese anderen tollen Frauen nicht bekommen. Das ist, glaube ich, das, was ganz wichtig ist zu verstehen. Also ich glaube, es ist auch das Richtige zu tun, aber auch als Unternehmen fällen wir auch bessere Entscheidungen, weil wir ganz unterschiedliche Sichtweisen an den Tisch bringen. Und jetzt Geschlecht ist eine Dimension, da gibt’s noch ganz viele andere. Aber das ist was, was uns sehr wichtig ist. #00:34:20.3#

 

Benjamin Krebs: Das ist sehr spannend zu hören. Wir hatten das auch in einem unserer vorherigen Podcasts, mit Aya Jaff haben wir das auch besprochen, die dann unter anderem gesagt hat, warum gibt’s auf einem Smartphone nicht schon einen voreingebauten Menstruationskalender zum Beispiel? Weil es von Männern entwickelt wurde. Da gibt’s einfach so viele verschiedene Themen, wo man einfach sagt: Hey! Wir brauchen die weibliche Perspektive oder auch aus verschiedenen Bereichen eben den Einblick. Von daher ganz toll, dass ihr da mit so einer Vorreiterrolle vorangeht und du auch als Role Model das in deiner Firma so vorlebst. Ein interessanter Aspekt ist bei dir gerade das Zusammenkommen zwischen Mode, was doch sehr stark oft weiblich geprägt ist, und dem Thema Technologie, was sehr oft männlich geprägt ist. Wie geht ihr denn damit um, diese beiden vielleicht auch unterschiedlich dominierten Bereiche zusammenzuführen in dem Unternehmen? Und wie macht ihr das denn dann erfolgreich in euren Teams? #00:35:16.9#

 

Julia Bösch: Das ist eine sehr spannende Frage. Diese Diversität, die ich im Führungsteam beschrieben habe, die ist gesamtkulturell für Outfittery sehr wichtig, weil wir genau diese beiden Elemente zusammenbringen. Auf der einen Seite die Kreativität, die Menschlichkeit, die Verbindung der Stylisten, und auf der anderen Seite die Algorithmen, die Daten, die Technologie. Und das ist tatsächlich so, dass unsere Data Science PhDs, die lernen von den Stylisten. Weil im Endeffekt, die Stylisten sind die Lehrer und der Algorithmus lernt davon. Und dementsprechend setzt sich dann der Data Science PhD neben den Stylisten und lässt sich von dem erklären, wie eigentlich man jetzt zur perfekten Auswahl für den Kunden kommt. Wir versuchen eben, eine Kultur der Neugier zu schaffen, um diese Verbindung hinzubekommen. Ich glaube, das gelingt uns ganz gut. #00:36:28.1#

 

Benjamin Krebs: Ich habe wieder ein bisschen Hunger. Ich weiß nicht, wie es dir geht, Julia, aber so ein kleiner Snack bald wäre nicht schlecht. #00:36:32.8#

 

Roland Schäffer: Ah! Ich sehe schon, da kommt mein Einsatz. Ich habe euch was ganz Besonderes mitgebracht, und zwar eine Studie der Boston Consulting Group. Diese Studie hat belegt, dass wenn männliche Gründer im Durchschnitt 10,6 Millionen Euro sammeln können, dann erhalten weibliche Gründer nur 3,5 Millionen Euro. Ein Grund dafür seien unbewusste Vorurteile gegenüber Frauen als Gründerinnen, aber auch der Fakt, dass es kaum Frauen auf der Seite der Kapitalgeber und Investoren gäbe. Bist du damit auch schon konfrontiert worden? #00:37:03.0#

 

Julia Bösch: Bei Outfittery war es so, dass wir eigentlich immer guten Zugang zu Kapital hatten. Ich glaube natürlich auch, insofern eine gute Startposition hatten, als dass wir ein Produkt und einen Service für Männer anbieten. Das heißt, die Investoren konnten damit immer was anfangen und konnten das auch immer selbst ausprobieren. Das war jedes Mal Teil der Due Diligence, wie gut wir den jeweiligen Investor einkleiden. Aber auf jeden Fall gibt es da ein Thema, also da muss man sich ja nur die Daten anschauen, um zu sehen, dass Gründerinnen auch weniger Kapital bekommen. Ich glaube, das liegt an zwei Sachen. Auf der einen Seite, es gibt tatsächlich wenige Investorinnen. Also wenn es schon wenig Gründerinnen gibt, auf der Investorenseite sind das noch weniger. Wir haben einige tolle Investorinnen bei uns an Bord, aber ich würde mir wünschen, dass es da deutlich mehr gibt. Weil ich glaube auch, dass es einfach unbewusste Biases gibt, die auch gar nicht so einfach sind aufzudecken. Und auf der anderen Seite würde ich mir auf der Gründerinnen-Seite wünschen, dass da wirklich auch große Visionen aufgemalt werden und man sich was traut. Weil das ist, glaube ich, was, was wir gut gemacht haben, da auch mit einer großen Ambition ranzugehen. Und das braucht man einfach, wenn man jetzt Venture Capital aufnehmen möchte, dann ist das notwendig. Es auch nicht für jeden der richtige Weg, man muss nicht immer VC-Geld aufnehmen, aber wenn man das möchte, braucht man auch eine große Ambition. #00:38:51.7#

 

Roland Schäffer: Sehr ausdifferenziertes Feedback. Danke dir! #00:38:57.0#

 

Benjamin Krebs: Du hast von großen Ambitionen gesprochen, das führt uns zum Blick in die Zukunft, der Blick in die Zukunft der Modewelt und auch des personalisierten Shoppings. Wir sind ja auf dem Weg nach 2030. Aus deiner Sicht, wie kaufen wir in 2030 ein? #00:39:14.0#

 

Julia Bösch: Ich glaube, in 2030 habe ich auf jeden Fall die Möglichkeit zu wählen, ob ich selbst schon mit shoppen möchte oder ob ich im Endeffekt einen digitalen Stylisten habe, der mich einfach ständig mit Empfehlungen versorgt, mir sogar morgens die 3 Looks sagt, die ich heute anziehen kann, und vielleicht will ich da auch hin und herschalten. Und ich kann auch alles schon vorher digital sehen, wie das an mir aussehen wird, und habe weiterhin Spaß, mich über die Mode selbst auszudrücken. #00:39:51.6#

 

Benjamin Krebs: Wow! Sehr spannend. Ich glaube, das ist wirklich ein guter Blick in die Zukunft. Und so, wie du es vorhin ausgedrückt hast, sind wir da vielleicht auch noch mal deutlich schneller, wenn ihr das heute schon entwickelt. Eine Frage habe ich in Bezug auf den stationären Handel. Jetzt seid ihr eine Online-Handelsplattform, nichtsdestotrotz hast du vorhin gesagt, ist da der Anteil am Gesamt-Shopping noch nicht so hoch. Gibt es denn aus deiner Sicht ein gutes Zusammenspiel oder ein Idealszenario, in dem auch Online und stationärer Handel zusammenwirken können? #00:40:24.5#

 

Julia Bösch: Auf jeden Fall! Da gibt’s verschiedene Möglichkeiten. Ich glaube, der stationäre Handel wird sich einfach sehr stark verändern. Ich glaube, es geht nicht mehr darum ein riesiges Sortiment zur Verfügung zu stellen, weil das kann man eigentlich online besser abbilden, sondern es geht im stationären Bereich darum, Erfahrungen, Experiences für den Kunden zur Verfügung zu stellen, und da sozusagen sich zu verbinden. Jetzt mal nur als Beispiel: Wenn ich den Outfittery Service auch im stationären Bereich hätte und dann bin ich eben wieder sehr nah an der inhabergeführten Boutique, wo ich reinkomme und über mein Outfittery-Profil der Berater vor Ort schon ganz genau weiß, welche Teile er mir in die Umkleide hängt, damit ich das ausprobieren kann. Da kann man, glaube ich, viele Schnittstellen finden. Und Kunden differenzieren aus meiner Sicht nicht zwischen, was ist stationär und was ist online. Kunden vertrauen einem Service oder einer bestimmten Brand und erwarten dann auch, über verschiedene Kanäle damit interagieren zu können. Ich glaube, da wird es in Zukunft auch durch die aktuell tektonischen Plattenverschiebungen noch sehr interessante Möglichkeiten geben. Und auch die Innenstädte werden sich da sehr stark verändern. #00:41:55.2#

 

Benjamin Krebs: Ich bin gespannt, was das für uns noch bringen wird. Mir gefällt die Idee dieser Kombination. Ich glaube, das könnte ein interessantes Modell sein. Mal gucken, ob sich das in Zukunft durchsetzen wird. Eine vielleicht leicht provokative Frage oder Gefahr gibt es doch aber bei diesem Thema, wenn wir jetzt durch Künstliche Intelligenz alle eingekleidet werden. Kann es nicht sein, dass wenn das jetzt in Zukunft immer mehr stattfindet, dass ich dann auf die Straße gehe und zehn andere genauso aussehen wie ich? #00:42:32.0#

 

Julia Bösch: Das wird zumindest mit Outfittery nicht passieren, weil wir bisher von den fünf Millionen Looks, die wir zusammengestellt haben, keiner dem anderen geglichen hat. Also wir haben nie eine Box zweimal rausgeschickt. Weil Menschen sind ja auch nicht gleich, Menschen sind superindividuell und der eine braucht breitere Hosenbeine, weil er Fußball spielt, und der andere möchte immer eine Tasche an seinem Hemd haben, weil er da seinen Kugelschreiber reinmacht. Und so ist es eben sehr, sehr individuell und wird es auch bleiben, solange Menschen individuell sind. #00:43:10.7#

 

Benjamin Krebs: Wenn wir beim Individuellen sind, macht denn nicht eigentlich oftmals auch das Thema Mode, der ein oder andere Fehlgriff oder die ein oder andere Extrem, vielleicht auch in der äußerlichen Wahrnehmung für viele falsche Griff in den Kleiderschrank die Spannung aus? #00:43:28.6#

 

Julia Bösch: Absolut! Ich glaube, der Spaß an der Mode ist ja auch, sich was zutrauen und mal über das hinaus zu gehen, was ich normalerweise immer kaufe. Das kennt, glaube ich, jeder, man hat so seine Lieblingsmarken und seinen üblichen Style, und da sich mal was zu trauen, das macht Spaß. #00:43:51.6#

 

Benjamin Krebs: Sehr gut! Abschließend würde ich gerne noch einen Blick von dir auf das Thema Gründerszene bis 2030 für Deutschland und den Digitalstandort haben. Was denkst du denn, was müssen wir tun, um noch weiter voranzukommen, um noch attraktiver zu werden, auch, um das Thema digitale Geschäftsmodelle in Deutschland voranzubringen bis 2030? #00:44:19.1#

 

Julia Bösch: Ich hoffe eben auch, dass mit der aktuellen Krise da wirklich viel Innovationskraft freigesetzt wird und wir nicht irgendwie nächsten Sommer den Beharrungskräften zum Opfer fallen und wieder in die alte Realität fallen, sondern wirklich da viele den Mut fassen, was zu unternehmen, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich glaube auch, dass die Start-up-Szene da eine ganz wichtige Rolle für Deutschland spielen kann. Und wir müssen einfach vom Mindset her da deutlich innovativer rangehen, uns was trauen, uns auch trauen, Fehler zu machen und dafür nicht verurteilt zu werden. Ich glaube, das fängt beim Mindset an und ist extrem wichtig für Deutschland, aber auch für Europa. #00:45:15.3#

 

Benjamin Krebs: Tolle Kombination aus Mode und Unternehmertum, bei beidem muss man sich mal was trauen, um auch aus der Masse rauszustechen. Sehr schön! #00:45:24.3#

 

Julia Bösch: Genau! #00:45:24.4#

 

Benjamin Krebs: Dann eine allerletzte persönliche Frage noch an dich, Julia. In 2030, in zehn Jahren, was möchtest du dir da kaufen können, was es heute noch nicht gibt? #00:45:34.0#

 

Julia Bösch: Ich wünsche mir in 2030 den intelligenten Kleiderschrank zusammen mit der intelligenten Waschmaschine, die genau wissen, was ich trage, und mir jeden Morgen eine Empfehlung machen. #00:45:48.9#

 

Sie haben Ihr Ziel erreicht.

 

Benjamin Krebs: Sehr gut! Da sind wir auf einer Linie. Hervorragend! Dann liebe Julia, haben wir den heutigen Podcast auch damit beendet. Wir sind tatsächlich von New York bis nach Berlin Kreuzberg gekommen. Wir haben gelernt, wie wir von einer Shopping-Erfahrungs-Idee zu einem tollen Geschäftsmodell kommen, was in 8 Jahren über 1 Million Kunden, über 5 Millionen nicht identische Boxes hervorgebracht hat. Wir haben gelernt, wie man von einem Start mit 200 Datenpunkten in Kombination von Künstlicher Intelligenz und Human Intelligence dahinkommt, dass man tatsächlich die Männerwelt in 9 europäischen Märkten so einkleidet, dass sie ihre Sachen nachhaltig und lange behalten und viel Spaß daran haben werden. Wir haben gelernt, wie die PhDs bei euch von den Stylisten tatsächlich lernen können. Warum Diversity in Teams so wichtig ist, um zum richtigen Ergebnis zu kommen. Und dass wir die Frauen sowohl in der Technologie als auch im Investor-Bereich als auch in der Gründerszene immer mehr sehen wollen. Und last but not least haben wir gelernt, dass man sich was trauen muss, sowohl in der Mode als auch in der Unternehmensgründung. Vielen Dank, Julia! #00:47:15.6#

 

Julia Bösch: Tolle Zusammenfassung! Vielen Dank! #00:47:18.1#

 

Roland Schäffer: Was für ein superspannendes Gespräch. Damit sind wir schon wieder am Ende unseres Technologie-Dialogs. Vielen Dank an unsere heutige Mitfahrerin Julia für die spannenden Ein- und Ausblicke. Wenn euch die Folge gefallen hat, würden wir uns freuen, wenn ihr unseren Podcast abonniert. Das könnt ihr auf Spotify, SoundCloud und der Dell Technologies Mediathek machen. In der nächsten Folge haben wir Thomas Jordans zu Gast und sprechen über Zukunft der digitalen Bildung und den Weg zur digitalisierten Schule. Bis dahin! Ich freue mich auf euch. Ciao! #00:47:51.6#

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