Ausschalten und Abschalten: Die neue digitale Achtsamkeit

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Das Smartphone ist mittlerweile unser wichtigster Begleiter im Alltag: Mit dem Wecker starten wir in den Tag, mit Gesundheits-Apps können wir unsere Fitness steigern, und wir kommunizieren jederzeit und an jedem Ort über die unterschiedlichsten Kanäle. Zugleich haben immer mehr Nutzer den Eindruck, dass ihr eigener Umgang mit elektronischen Geräten problematisch ist und sie ihn gerne einschränken würden. Wie das möglich ist, verrät uns der Journalist und Buchautor Christoph Koch.

“"Den perfekten Zen-Zustand, den gibt es vielleicht auch gar nicht, sondern es ist ein konstanter Weg dahin."”

— Christoph Koch, Journalist & Autor

Guest List

  • Christoph Koch Journalist & Buchautor
  • Benjamin Krebs Moderator, Dell Technologies
  • Roland Schäffer Co-Moderator, Dell Technologies

Die Route ist berechnet. Ziel 2030.

 

Roland Schäffer: Hallo und willkommen zu einer neuen Etappe auf der Road to 2030, dem Podcast zu Technologie und Gesellschaft von Dell Technologies. Unser heutiger Gast ist Christoph Koch, Journalist und Autor der Bücher „Ich bin dann mal offline“ sowie „Digitale Balance“. Ich bin Roland und ich werde euch als Co-Moderator mit leckeren Snacks versorgen. Ich hoffe, ihr seid bereit. Anschlag nicht vergessen! #00:00:36.5#

 

Am Steuer ist heute wieder mein Kollege Benjamin Krebs. Hi Benny! Lange nicht gehört. #00:00:44.3#

 

Benjamin Krebs: Hi Roland! Das stimmt. Ich freue mich schon auf unsere gemeinsame Fahrt und die nächste Etappe heute. Und auf unserem Beifahrersitz darf ich heute einen ganz besonderen Gast begrüßen, Christoph. Christoph, herzlich willkommen als Mitfahrer auf unserer heutigen Etappe der Road to 2030. #00:01:04.4#

 

Christoph Koch: Hallo! Danke fürs Mitnehmen. #00:01:06.3#

 

Benjamin Krebs: Sehr schön! Christoph, heute ist das Thema Digital Detox. Und auch natürlich die Betrachtung deiner Blickwinkel darauf, zwei Bücher zu dem Thema schon geschrieben. Ich freue mich ganz besonders, die Insights heute mit dir genießen zu dürfen. Um mal für unsere Hörerinnen und Hörer ein bisschen was zu dem Thema Digital Detox näher zu bringen: Wir alle kennen das, wir schauen mal kurz aufs Handy, danach sind wir zwei Stunden in irgendwelchen Apps abgetaucht. Wir alle kennen das auch, ich meine, im Beruf, im Privaten. Und gerade jetzt in der neuen Arbeitswelt ist die digitale Connection eigentlich immer noch wichtiger für uns alle, aber wir müssen es natürlich trotzdem schaffen oder wollen es trotzdem schaffen, die richtige digitale Balance zu erreichen. Wir werden heute auch erfahren, wie wir unsere eigene Mediennutzung einschätzen können, ob das zu viel ist, ob das noch in der richtigen Balance ist. Und wir kriegen vielleicht auch den ein oder anderen Tipp, wie wir den Abend oder auch das Wochenende mal mit wenig Smartphone oder vielleicht auch ganz ohne genießen können. Darauf freuen wir uns. #00:02:18.9#

 

Christoph Koch: Ich mich auch, auf jeden Fall. #00:02:21.1#

 

Benjamin Krebs: Sehr schön! Christoph, ich hoffe, du sitzt bequem, bis angeschnallt. Auch das müssen wir noch tun aktuell, auf unserer Road to 2030 uns immer anschnallen. Am Anfang machen wir gerne einen Speed-Check mit unseren Gästen. #00:02:34.6#

 

Christoph Koch: Ich bin bereit und angeschnallt. #00:02:36.5#

 

Benjamin Krebs: Sehr gut! So ist es toll. Der Speed-Check läuft folgendermaßen ab. Du kriegst zwei Begriffe und sagst einfach den, der dir mehr zusagt. Das erste Begriffspaar ist: Weißbier oder Pils? #00:02:51.8#

 

Christoph Koch: Pils, auf jeden Fall. #00:02:53.2#

 

Benjamin Krebs: Das zweite Begriffspaar, da bin ich gespannt, natürlich auch ein bisschen aktueller Bezug: Fußball oder Basketball? #00:03:01.1#

 

Christoph Koch: Fußball, aber auch das ehrlich gesagt nur alle zwei Jahre schauen, wenn EM oder WM ist. #00:03:07.1#

 

Benjamin Krebs: Okay! Wunderbar! Dann vielleicht rein aus Interesse, was ist so dein Favourite Sport zum Selbermachen? #00:03:13.4#

 

Christoph Koch: Laufen tatsächlich, Radfahren, Surfen, was in Berlin natürlich schwierig ist. #00:03:21.1#

 

Benjamin Krebs: Oh, cool! #00:03:23.1#

 

Christoph Koch: Das sind so die … #00:03:23.9#

 

Benjamin Krebs: Sehr gut! #00:03:24.0#

 

Christoph Koch: Laufen ist am einfachsten. Das kann man überall. #00:03:26.0#

 

Benjamin Krebs: Sehr schön! Surfen, das passt ein bisschen zu unserer Folge, die wir schon mal hatten mit Digital Nomads. Gut! Dann machen wir mal weiter mit unserem nächsten Begriffspaar. Was liest du lieber, Romane oder Sachbuch? #00:03:41.8#

 

Christoph Koch: Oh, schwierig! Beruflich viele Sachbücher, privat versuche ich es dann mit Romanen auszugleichen. Von daher unentschieden. #00:03:50.4#

 

Benjamin Krebs: Jetzt meine Lieblingsfrage heute, einfach als großer Asterix-Fan: Würdest du lieber mit Obelix Wildschwein essen oder mit Julia Roberts und Danny DeVito, beides prominente Veganer, ein veganes Menü kochen? #00:04:04.5#

 

Christoph Koch: Würde ich mich für das vegane Menü entscheiden. #00:04:08.0#

 

Benjamin Krebs: Sehr schön! #00:04:08.5#

 

Christoph Koch: Nicht nur wegen Julia Roberts, aber auch aus ernährungstechnischen Gründen. #00:04:12.7#

 

Benjamin Krebs: Sehr gut! #00:04:13.7#

 

Roland Schäffer: Aus Gründen für Danny DeVito. #00:04:15.1#

 

Benjamin Krebs: Ja. Könnte auch sein. Sehr gut! #00:04:18.7#

 

Christoph Koch: Wobei Obelix mit Sicherheit auch ein interessanter Gesprächspartner ist, stelle ich mir vor. #00:04:21.9#

 

Benjamin Krebs: Ich denke auch. Ja. #00:04:23.0#

 

Roland Schäffer: Bestimmt! #00:04:23.7#

 

Benjamin Krebs: Sehr gut! Dann: Stadt oder Land? #00:04:28.3#

 

Christoph Koch: Stadt. #00:04:29.8#

 

Benjamin Krebs: Und dann noch: Klassische oder moderne Kunst? #00:04:33.6#

 

Christoph Koch: Hm! Moderne Kunst. #00:04:36.1#

 

Benjamin Krebs: Hm, sehr gut! Super! Vielen Dank, Christoph! Damit haben wir jetzt schon so den ersten Einblick, das erste Aufwärmen, den ersten Speed-Check hinter uns und unsere Hörerinnen und Hörer können sich ein bisschen was unter dir als Person auch vorstellen. Damit geht’s mitten rein in unser Thema heute. Dein Metier ist das geschriebene Wort und gleichzeitig bist du auch jemand, der diese Dinge selbst ausprobiert und Selbstversuche macht. Vielleicht könnte man dich auch den Jenke des Buches nennen. Im Endeffekt wäre mal die Frage: Wenn du diese Wirkung des Internets und des digitalen Fortschritts auf unser Leben in Selbstversuchen ausprobierst, was genau hat dich da drauf gebracht und was fasziniert dich überhaupt an diesem Thema so? #00:05:24.7#

 

Christoph Koch: An dem Format des Selbstversuchs fand ich spannend, dass ich eben tatsächlich einfach Sachen ausprobiere, ein bisschen so im Experimentierstatus bin. Jenke des Buches ist natürlich ein schmeichelhafter Vergleich. Ich meine, der hat sich ja, glaube ich, das halbe Gesicht operieren lassen. Da wüsste ich nicht, ob ich mich das trauen würde. Von daher ehrt mich das, wenn du mich da vergleichst. Aber die Herangehensweise ist, glaube ich, ähnlich, dass man einfach versucht, nicht nur was zu beschreiben, sondern auch wirklich selber was zu erfahren, zu erleben, sich da rein zu begeben in die Situation und darüber dann vielleicht Erkenntnisse zu gewinnen, die man nur als eben Beobachter so nicht hätte. Das ist sozusagen ein bisschen das, was mich an dem Selbstversuch reizt. Und wenn du eben sagst, warum dann das Thema Internet und Netz, Technologie und so weiter, das kommt, glaube ich, ein bisschen daher, ich bin jetzt seit ungefähr 20, 25 Jahren Journalist und eigentlich das genau in diese Zeit dann eben fiel, als das anfing. Und man muss einfach sagen, in den letzten 20 Jahren gab‘s, glaube ich, nichts, keine Entwicklung, keine gesellschaftliche Veränderung, die so tiefgreifend eben ist und war wie das Internet und die digitalen Technologien. Da passiert permanent was Neues, jede Woche, eigentlich, wenn man ehrlich ist, sogar jeden Tag. Und das ist einfach dann unglaublich spannend als Journalist, als Autor. Deswegen hat mich das als Thema früh gepackt, also von eben noch, keine Ahnung, früher über, als es noch BlackBerrys mehr gab, darüber geschrieben, oder T9 Texterkennung im alten klassischen Handy. Also das ging früh los und hat mich nicht losgelassen. Wie gesagt, es passieren permanent neue, spannende Dinge, es gibt neue Unternehmen, die interessant sind, es gibt neue Möglichkeiten, Technologien, Geschäftsmodelle. Also von daher ist das ein hoffentlich nie auserzähltes Thema. #00:07:16.9#

 

Benjamin Krebs: Ich glaube auch, also das sieht man auch an der Vielfalt an Themen, die wir um diesen Komplex herum auch in unseren Podcast-Folgen immer mal wieder betrachten. Ich glaube auch, da bleibt noch viel, worüber man erzählen kann und vielleicht auch das eine oder andere Experiment, was du noch in der Zukunft angehen kannst. Um jetzt aber mal mit den Themen zu beschäftigen, die du jetzt schon ausprobiert hast und worüber du auch geschrieben hast: Du hast zwei Bücher geschrieben. Das eine nennt sich „Ich bin dann mal offline“ und das zweite nennt sich „Digital Balance: Mit smarter Handynutzung leichter leben“. Beides beschäftigt sich mit dem Thema Internet, mit der ständigen Erreichbarkeit. Und meine Frage wäre jetzt: Worin besteht denn der Unterschied, wenn es doch beides eigentlich mehr oder weniger das gleiche Thema ist, nämlich zurück zum analogen Leben? #00:08:07.8#

 

Christoph Koch: Genau! Das erste Buch „Ich bin dann mal offline“, muss man auch dazusagen, ist jetzt schon, ich glaube, ein bisschen sogar über zehn Jahre alt. Sprich, ist noch zu einer Zeit entstanden, da steckte Facebook noch in den Kinderschuhen, in Deutschland gab’s, glaube ich, WhatsApp und sowas noch gar nicht oder vielleicht hat es irgendwie siebeneinhalb Nutzer gehabt, TikTok, Snapchat war noch nicht mal ausgedacht. Smartphones waren noch eine Seltenheit, es gab gerade das allererste iPhone und so weiter. Also vor dem Hintergrund war das schon auch noch eine andere Zeit. Trotzdem hatte ich damals aber auch schon das Gefühl, es verändert sich was, dieser Sog ist irgendwie stark. Und habe dann eben mich für diesen radikalen Selbstversuch entschieden. Ich habe dann gesagt: Was passiert denn, wenn ich mal 40 Tage wirklich den Stecker ziehe und komplett offline bin und auf all das verzichte? Geht das überhaupt noch? Wie verändert sich mein Leben, beruflich, privat? Das war wirklich eher so eine Beschreibung dieser Zeit und der Erkenntnisse daraus. Ich habe dann aber in der Zeit danach eben auch immer gemerkt, na ja, das ist natürlich ganz interessant so als Setup für mich als Journalisten und als Autor, diese Radikalkur und dieser radikale Verzicht, aber ist natürlich eigentlich überhaupt nicht praktikabel für die meisten Menschen und für die Leser und Leserinnen und eben die breite Masse. Die braucht ja wirklich eher eine – und dann sind wir beim Titel des zweiten Buches – „Digitale Balance“, also eben keinen radikalen Verzicht, sondern eben einen Weg, wie sie mit den ganzen neuen Technologien, natürlich dem Smartphone, aber auch natürlich viel an Software, Apps, sozialen Netzwerken und so weiter in einer guten Balance leben können. Wo es eben gar nicht darum geht, das alles zu verteufeln und zu sagen, immer weniger ist besser, sondern eher nur, vielleicht anders ist besser. Oder eben sozusagen, jeder muss für sich herausfinden, wo sind die Vorteile und was sind die Nachteile, die man sozusagen dann versucht zu reduzieren, um die Vorteile bestmöglich genießen zu können. So kam dann die Idee zu dem zweiten Buch, was eben sozusagen nicht auf einen radikalen Detox setzt, wie man es ja klassischerweise kennt, sondern eben auf eine sinnvollere, gesündere Balance. Plus eben natürlich auch zehn Jahre vergangen hat man natürlich auch noch mal ganz andere Technologien, Plattformen, über die man schreibt. Ich kann mich erinnern, in dem Offline-Buch zum Beispiel kamen noch Sachen wie Wer-kennt-wen und studiVZ vor, an die sich die Jüngeren jetzt, glaube ich, heute schon gar nicht mehr erinnern. #00:10:40.4#

 

Roland Schäffer: Doch, doch, tatsächlich! #00:10:42.2#

 

Christoph Koch: Von daher merkt man schon sozusagen, wie schnell sich da auch die Dinge ändern und dass man eben, selbst wenn das Grundthema vielleicht das gleiche ist, die Details sich wirklich radikal mittlerweile unterscheiden. #00:10:54.4#

 

Roland Schäffer: Christoph, da muss ich mal kurz zwischenfragen. Und zwar in der Vorbereitung auf unseren Podcast heute und auf die Etappe, auf dieser Road to 2030, habe ich mich mit meiner Partnerin unterhalten, und sie hat dann gefragt: Glaubst du, er würde das jetzt zur heutigen Zeit nochmal machen? Dann habe ich auch so ein bisschen geguckt: Hm, weiß ich nicht. Also würdest du? Und was glaubst du, wo da dann die Grenzen wären heutzutage? #00:11:15.2#

 

Christoph Koch: Das ist eine gute Frage. Damals war es tatsächlich so, dass ich nichts nicht machen konnte. Also manches war natürlich mühsamer, ganz klar, man muss zum Bahnhof fahren, um sich da sein Zugticket zu kaufen, statt es per App zu buchen. Aber es gab nichts, was mir sozusagen verschlossen geblieben wäre. Ich glaube, heute würde man viel öfter, also angefangen schon von jetzt irgendwie aktuell Corona-Check-ins, Testnachweise, würde man ganz schnell, einfach würden einem Dinge nicht offenstehen, wenn man quasi offline ist. Das war damals noch anders. Von daher wäre jetzt so ein 40-Tage-Selbstversuch, wie ich ihn damals gemacht habe, wäre mit Sicherheit viel, viel schwerer, also für mich persönlich, aber auch wahrscheinlich für jeden anderen. Ich versuche trotzdem, sage ich mal, kürzere Auszeiten noch irgendwie zu machen. Also ein Klassiker ist natürlich, dass man vielleicht im Urlaub, wenn man eh schon sozusagen arbeitsmäßig abschalten will, dann eben das auch wirklich tut. Ich gehe zum Beispiel einmal im Jahr mit Freunden wandern in die Berge. Da hat man dann oft wirklich kein Netz auf der Hütte. Das stresst einen dann im ersten Moment, aber eigentlich, wenn man dann eine Sekunde länger drüber nachdenkt, ist es eigentlich auch ganz gut. Also solche kürzeren Auszeiten versuche ich trotzdem noch einzulegen. Die 40 Tage, die wären wahrscheinlich deutlich, deutlich schwieriger, wahrscheinlich sogar in vielen Fällen unmöglich oder könnte man es einfach nicht mehr machen. Ich glaube, man könnte heute nicht mehr studieren zum Beispiel, wenn man nicht online ist dabei. Dann kann man wahrscheinlich viele Scheine gar nicht machen, kriegt nicht mit, wann welche Vorlesungen sind. Zu Corona-Zeiten, wo sich ja noch mehr ins Netz verlegt hat, noch mal viel extremer. Also von daher. #00:12:54.1#

 

Benjamin Krebs: Das ist, ich glaube, eine wirklich interessante Erkenntnis, wenn man sich das jetzt mal anschaut, wie schwer das jetzt eigentlich noch wäre. Du hast angesprochen, der Selbstversuch war ein interessantes Experiment. Jetzt das Nachfolgebuch quasi mehr oder weniger so ein bisschen die Erkenntnis aus dem ersten Buch. Gab‘s denn für dich bestimmte Auslöser oder Trigger Points, die dazu geführt haben, dass du erstens das Experiment am Anfang mal gemacht hast und zweitens jetzt auch das zweite Buch geschrieben hast? #00:13:23.2#

 

Christoph Koch: Bei dem ersten Buch war schon so die Erkenntnis, dass ich einfach von immer mehr Leuten gehört habe, wie schnell die digitale Welt so Einzug gehalten hat und wie unentbehrlich sie eben geworden ist. Das geht dann eben los, dass die Leute gesagt haben, keine Ahnung, wenn ich mein Handy zu Hause vergessen habe, dann fühle ich mich eigentlich so wie halb amputiert, als würde mir ein Körperteil fehlen, so ungefähr. Oder eben, dass sie auch tatsächlich so sagen: Wenn ich im Urlaub bin und dann eben doch nicht in die Mails gucken kann, dann spüre ich eine Nervosität. Also da habe ich schon gemerkt, da verändert sich was radikal. Und ich habe mich bei dem ersten Buch noch so ein bisschen davor gescheut, so Ratschläge zu geben und den Leuten so zu sagen, wie sie es machen sollen. Da war ich eben eher noch so ein bisschen bei mir und bei meinen Erkenntnissen. Vielleicht tut man sich da als Journalist auch immer ein bisschen schwer, so Anweisungen zu geben. Deswegen habe ich mich da eher darum gedrückt, habe dann aber eben in den Jahren danach, wo ich ja immer wieder mit dem Buch, da habe ich Lesungen gemacht oder Vorträge gehalten, habe immer wieder auch von Lesern Rückmeldung bekommen. Und die wollten letztlich, die Fragen waren immer: Aber was sind denn Tipps und Ratschläge und was kann ich denn machen? Das war sozusagen so eine Anleitung oder so eine Handreichung war eben wirklich gewünscht und gewollt. Dann habe ich eben gedacht: Na gut, vielleicht darf ich mich da auch nicht so sehr davor drücken, diese Tipps zu geben oder diese Ratschläge und habe dann eben das zweite Buch, das ist jetzt wirklich sehr Hands-on, eine Anleitung mit Tipps. Es gibt auch so eine 30-Tage-Challenge, wo man wirklich so jeden Tag ein bisschen Vorschläge und Ratschläge bekommt und Aufgaben, die man dann abhaken kann. Also kann man ganz gut, glaube ich, auch praktisch nachvollziehen. Und es gibt aber auch ein bisschen noch eine Erklärung: Was passiert da eigentlich mit uns? Warum sind wir dafür so anfällig? Warum machen wir immer wieder Insta auf, obwohl wir eigentlich etwas anderes zu tun hätten? Was passiert da in und mit uns? Und woher kommt dieser Sog? #00:15:18.1#

 

Benjamin Krebs: Sehr schön! Das ist ja eine gute Überleitung eigentlich direkt zu meiner nächsten Frage, weil ich wollte von dir wissen: Liegt es eigentlich am Internet oder an der Konnektivität an sich? Oder ist das eine Grundneugier, die wir einfach als Menschen in uns tragen und das Smartphone oder Internet ermöglicht das quasi nur? #00:15:38.6#

 

Christoph Koch: Ich glaube, beides. Also die Grundneugier ist in uns Menschen schon drin und ist, glaube ich, auch wichtig und evolutionär so gewollt. Also wir Menschen brauchen Informationen und haben immer Informationen gebraucht, um zu überleben. Also ganz früher vielleicht eben: Wo kann ich hingehen und wo ist es gefährlich? Wo kriege ich eins auf die Rübe, wo lauern wilde Tiere? Was auch immer. Und man darf nicht vergessen, ganz lange Zeit, also eigentlich bis vor, muss man eben sagen, bis vor der flächendeckenden Einführung des Internets, vor plus/minus vielleicht 20 Jahren, waren Informationen auch was sehr Rares und Wertvolles. Also wir mussten uns immer bemühen, Informationen zu bekommen. Informationen waren teuer, man musste sich eine Zeitung kaufen und man hat Bücher, Bücher wegwerfen ist immer noch irgendwie verpönt bei den Leuten, weil sie irgendwie denken, das kann ja noch jemand anders lesen. Also Informationen waren rar und damit wertvoll. Das hat sich dann jetzt ja komplett gedreht, also heute ist es ja genau andersrum. Heute muss man Informationen nicht mehr mühsam suchen, sondern man muss eher filtern. Aus so einer riesigen Masse an Informationen, die auf uns einströmt, die Hauptarbeit ist rauszufinden, a) was davon stimmt, Stichwort Fake News, was davon ist quasi authentisch und wahr? Und b) was ist davon für mich relevant? Also aus all den Millionen News, die jeden Tag auf mich einprasseln, die sogar vielleicht wahr sind, sind ja auch wahnsinnig viele einfach nicht relevant. Wenn ich dann irgendwie höre so, klicke hier, um zu erfahren, was Promi A Böses über Promi B gesagt hat oder so, dann muss ich mich natürlich entscheiden: Ist das für mich gerade irgendwie wichtig oder nicht? Also das hat sich komplett gedreht. Diese Neugier ist natürlich geblieben, aber wir sind so ein bisschen von Trüffelschweinen, die sich Informationen suchen müssen, eben eher zu so Filtern geworden, die 99,9 % draußen lassen müssen von Informationen, damit wir nicht komplett verrückt werden. #00:17:44.1#

 

Roland Schäffer: Jetzt haben wir schon im Vorfeld mal ein bisschen geschnackt gehabt. Du hattest mal, als wir beide geschnackt haben, hast du gesagt: Es gibt mittlerweile auch so Informationshorter. Was ist denn so ein Informationshorter und wie laufe ich denn auch Gefahr dazu zu werden, wenn ich jetzt zu viel Zeitung lese und alle News mir mittlerweile quasi überall zugänglich sind? #00:18:02.9#

 

Christoph Koch: Das fand ich tatsächlich ganz interessant bei meinen Recherchen. Ich habe ja die letzten Jahre immer wieder mich mit dem Thema beschäftigt und oft auch dann eben mit Psychologen und Expert*innen gesprochen, die sich damit auskennen, was sozusagen solche Leute dann eben tatsächlich, wenn es pathologisch wird, umtreibt, also wo sozusagen auch die Grenze verläuft zu wirklich pathologischem Internetgebrauch und vielleicht eben auch Onlinesucht. Die haben eben auch erzählt, es gibt die unterschiedlichsten Fälle und Ausgestaltungen. Der Klassiker ist natürlich vielleicht irgendwie so der Workaholic, der irgendwie die Arbeitsmails nicht lassen kann. Oder vielleicht jemand, der irgendwie glücksspielsüchtig ist und jetzt nicht mehr ins Casino geht, sondern online zockt. Aber die haben mir auch gesagt, es gibt auch Menschen, die sozusagen süchtig sind nach wirklich Informationssammeln. Die hatten dann jemanden, der einfach Gigabytes von Dokumenten runtergeladen und gespeichert und archiviert und sortiert irgendwie hatte, ohne wirklich damit etwas zu machen. Der hatte sozusagen vielleicht mal angefangen mit irgendeinem Projekt oder einer, weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr genau, Doktorarbeit oder was auch immer, aber hatte das schon längst verlassen diesen Raum und hat einfach nur noch gesammelt, gesammelt und gespeichert, und mehr als er je in seinem ganzen Leben hätte lesen oder sichten können. Und konnte aber auch nicht damit aufhören. Das fand ich eben interessant, welche unterschiedlichen Formen dieses Schlagwort Onlinesucht, das ja wir gerne verwenden, aber wie gesagt, wie unterschiedliche Ausprägungen das haben kann. Das war mir vorher gar nicht so klar gewesen. #00:19:34.4#

 

Roland Schäffer: Das ist wirklich auch was, da kommen neue Süchte auf, die davor noch gar nicht bewusst waren. Aber jetzt sind wir auch schon ein bisschen unterwegs auf unsere Etappe. Ich glaube, Benny sieht schon ein bisschen hungrig aus. Ich weiß nicht, wie es bei dir aussieht, die Christoph? So einen Content-Snack? Und zwar habe ich euch einen mitgebracht und das ist eine Studie von ARD und ZDF, eine Online-Studie aus dem Jahr 2020. Die sagt, dass der Durchschnittsdeutsche täglich fast dreieinhalb Stunden im Internet verbringt und die Zahl der Internetnutzer ist in diesem Jahr um 3,5 Millionen auf 66,4 Millionen gewachsen. Und vor allem die älteren Zielgruppen ab 60 Jahren tragen dazu bei. Was sagen denn diese Zahlen für dich aus, Christoph? #00:20:15.9#

 

Christoph Koch: Genau! Nein, das deckt sich absolut mit meinen Beobachtungen. Also die grundsätzliche Nutzungsdauer, die steigt weiter an, jetzt vielleicht grad nicht mehr so rapide, aber natürlich irgendwie mit eben dreieinhalb Stunden nähern wir uns jetzt auch schon einer ganz ordentlichen Zeit. Die Smartphone-Nutzung davon wird auch noch mal immer mehr, also der Anteil, den man davon an einem Smartphone verbringt versus normalem Rechner wird immer größer. Und aber, das ist, glaube ich, das Spannende eben, die Älteren, die holen da ganz gewaltig auf. Wir haben ja lange, glaube ich, eben so das Thema Onlinesucht oder eben, man hängt zu viel vor den diversen Bildschirmen, ein bisschen so als Junge-Leute-Problem abgetan. Da gab’s so den ganz klassischen Fall, so der männliche Teenager, der World of Warcraft spielt und darüber so die Realität aus den Augen verliert, das war so unser Klischee-Bild, mit dem haben wir uns irgendwie auch so ein bisschen angefreundet gehabt. Und das stimmt aber mittlerweile überhaupt nicht mehr. Also wenn man sich jetzt zum Beispiel eben auch gerade den Bereich Gaming nur so als Beispiel anschaut, die erfolgreichsten Games sind mittlerweile sogenannte Casual Games eben auf dem Smartphone, keine Ahnung, Gardenscapes, Candy Crush, solche Sachen. Das spielen eben auch Erwachsene, das spielen eben nicht mehr nur irgendwie Kinder. Jeder, der in einem WhatsApp Familienchat schon mal irgendwie war, weiß, da schicken auch oft die älteren Semester am Allermeisten witzige Bildchen und lustige Videos irgendwie durch die Gegend. Also die waren vielleicht, die Generation 60 plus war vielleicht eins später dran mit eben der Smartphone-Nutzung oder auch generell der Online-Nutzung, aber sie haben jetzt radikal aufgeholt und sind vielleicht eben genauso hooked oder genauso gefährdet wie die Jüngeren, in manchen Fällen vielleicht sogar noch mehr. Also zumindest wird mir das oft auch irgendwie erzählt, dass die Leute dann irgendwie sagen: Puh! Seit meine Eltern oder Großeltern jetzt irgendwie ein Tablet oder ein Smartphone haben, hängen die nur noch davor. Früher haben sie mich immer geschimpft, warum ich immer auf das Ding gucke. Also ich glaube, da sind wir alle gleichermaßen anfällig. Das hat mit dem Alter irgendwie wenig zu tun, sondern die älteren, wie gesagt, sind vielleicht eins später eingestiegen. Was auch grundsätzlich toll ist, also ist auch erst mal schön, gerade auch nochmal Stichwort Corona, wenn Familien, die sich vielleicht nicht sehen konnten, dann halt per Zoom oder Skype oder FaceTime oder wie auch immer sich digital nah sein konnten. Das ist ein großes Geschenk. Und wenn das eben auch die Oma oder der Opa machen können, ist das grundsätzlich erst mal super. Da ist überhaupt nichts dagegen zu sagen, dass auch alte Leute noch das vollumfänglich nutzen, gar keine Frage. #00:22:46.8#

 

Benjamin Krebs: Absolut! Das ist wieder der perfekte Übergang eigentlich zu dem, was ich als nächstes auch mal besprechen wollte mit dir, Christoph. Also das machst du heute ganz hervorragend. Und zwar so der nächste größere Themenkomplex, den ich mal mit dir besprechen wollte: Internet, Fluch und Segen zugleich. Dazu wollte ich mit einem kleinen Zitat von der Webseite vom Bundesgesundheitsministerium anfangen. Und zwar geht das: Seit über zehn Jahren wird auch eine exzessive Computer- und vor allem Internetnutzung beobachtet, die mit einer Abhängigkeitsstörung verglichen wird. Es wird von der sogenannten Fear of missing out, also im Endeffekt der Angst was zu verpassen gesprochen. Jetzt ist das eine relativ pauschale Aussage, weil wir auch einfach gesehen haben, gerade in Zeiten von der Pandemie, wie wichtig die Technologie auch eben für unser Privat- und Berufsleben sein kann. Was ich von dir mal hören wollte, deine Einschätzung, ich meine, mit fast jeder neuen Unterhaltungsform, du hast vorhin von dem Gamer gesprochen, dann gibt’s oft das gleiche oder ähnliches bei Musik vielleicht oder auch beim Fernsehen hatten wir das ja auch am Anfang. Da haben wir häufig von politischer Seite so eine Auseinandersetzung, dass das gegebenenfalls sehr kritische Folgen haben könnte. Muss das sein, ist das notwendig? Wie siehst du das? #00:24:08.5#

 

Christoph Koch: Auch eine sehr gute Frage. Weil du hast vollkommen recht, das ist ein Muster, das sich immer wiederholt. Ich glaube von früher, als Comics aufkamen, wurden die verteufelt und es hieß, die machen die Gehirne der jungen Menschen kaputt. Als Rockmusik aufkam, hieß es, das ist Teufelszeug. Kino, Fernsehen, eigentlich jede neue Kulturtechnik, die oft dann auch mit einer neuen Technologie einhergeht, wird erst mal kritisch beäugt. Oft eben auch von den Älteren, die sie nicht nutzen, gucken dann auf die Jüngeren, die das als erstes sich zu eigen machen, und sagen dann: Oh! Vorsicht, Vorsicht! Eure Gehirne können das alles nicht verarbeiten. Und rückblickend lacht man sich natürlich tot und sagt: Oh Gott! Comics, wo soll da die Gefahr gewesen sein? Oder die Beatles, wie schlimm kann es gewesen sein, aber zur damaligen Zeit haben die Leute Angst. Deswegen liegt es natürlich nahe, dass man auch ein bisschen denkt, na ja, wenn da jetzt gewarnt wird, dann ist das auch wieder so eine Überreaktion. In manchen Fällen stimmt das vielleicht auch, und ich glaube, man muss wirklich ganz stark differenzieren zwischen den Arten von Nutzungen. Also es ist, glaube ich, ganz, ganz schwierig einfach zu sagen so, wer am Tag mehr als soundso viel Stunden ins Smartphone schaut, ist süchtig oder ist gefährdet oder macht was falsch. Es kommt wirklich ganz entscheidend darauf an, was mache ich damit. Wenn ich mich damit mit anderen Leuten vernetze, wenn ich darüber sinnvoll und gewollt kommuniziere, eben wie gesagt, wir hatten gerade schon das Beispiel, die Familie, die in der Pandemie irgendwie miteinander zoomt, weil sie sich nicht treffen kann. Oder auch natürlich, wenn ich mit Kollegen effizienter Dinge klären kann, alles wunderbar. Wenn ich aber Zeit vertrödele, die ich eigentlich nicht vertrödeln möchte, und hinterher eben so ein bisschen, wie du es am Anfang geschildert hast, überrascht bin, huch, ich wollte eigentlich nur kurz das Wetter checken und jetzt sind zwei Stunden rum und ich weiß gar nicht, wo sie geblieben sind, dann ist das natürlich was ganz anderes und dann ist es tatsächlich vielleicht eben auch besorgniserregend. Wo glaube ich der Unterschied eben zu den Comics und den Beatles und was auch immer irgendwie liegt, ist, dass wir schon natürlich sehen müssen, dass viele von den oder eigentlich fast alle der größten Unternehmen momentan weltweit ihr Geld damit verdienen, dass wir mehr Zeit mit diesen Geräten und Apps und so weiter verbringen. Also bei Google und Facebook ist das wirklich eins zu eins über die Werbefinanzierung. Da ist wirklich jede Minute, die wir mehr auf YouTube oder auf Insta oder Facebook oder wo auch immer verbringen, ist einfach Geld. Bei anderen ist das ein bisschen vielleicht um die Ecke, aber trotzdem. Das bedeutet natürlich, dass sozusagen die schlausten und bestbezahlten Menschen unserer Generation daran arbeiten uns möglichst lange vor Netflix, auf Deezer, aufs Spotify, auf YouTube, wo auch immer, dass wir die Zeit da verbringen. Das ist eben natürlich der Unterschied zu früher. Als wer auch immer das Telefon erfunden hat, der hat da nicht noch sozusagen so lange das Telefon optimiert, bis wir möglichst lange nicht auflegen oder möglichst lang telefonieren oder möglichst oft Leute anrufen, sondern das war dann ein bisschen egal. Also wenn ich ein Telefon habe und es nie benutze, dann war das dem Erfinder des Telefons auch ein bisschen Wurst. Das ist, glaube ich, schon so ein Unterschied, dass ganz viele Unternehmen ein wirkliches Interesse daran haben, dass unsere Nutzung immer weiter steigt. #00:27:41.4#

 

Benjamin Krebs: Absolut! Das ist ein interessanter Aspekt, den ich jetzt so in der Form nicht betrachtet habe, aber da hast du natürlich recht. Wenn wir uns das ein bisschen genauer angucken, dann gibt’s ja eigentlich so zwei vielleicht Hauptausprägungen dessen, warum Menschen Zeit im Internet verbringen. Das eine ist so dieses Informationsthema, so das, was wir vorhin angesprochen haben: Fear of missing out, verpasse ich irgendwas, was da draußen in der Welt passiert? Und das zweite ist das Thema Selbstbestätigung. Grad Social Media, glaube ich, sorgt viel dafür, dass man quasi versucht dann auch, über Likes und so weiter eben Selbstbestätigung zu erfahren. Aus deiner Sicht, zum einen, was ist die größere Gefahr? Und zum anderen, woher kommt das und wie viel Abhängigkeitspotenzial besteht da wirklich? #00:28:33.4#

 

Christoph Koch: Ich glaube, das greift beides so ein bisschen ineinander beziehungsweise ergänzt sich vielleicht auch. Diese Neugier, über die wir gesprochen haben, das ist oft eher das passive Konsumieren. Also ich schaue bei Twitter oder Facebook oder in die sozialen Netzwerke rein, um zu sehen, was ist so los. Oder ich googele Dinge, um was zu erfahren oder was auch immer. Das ist sozusagen eher, wie gesagt, passives Konsumieren. Die andere Seite, nämlich das selber posten, selber aktiv veröffentlichen, was auch was ist, was mit dem Web erst dann quasi neu dazugekommen ist. Früher hatte man gar nicht die Möglichkeit so viele Leute zu erreichen, wenn man jetzt nicht gerade zufällig ein Radiosender oder eine Zeitung besessen hat. Das ist ja auch erst mal was Neues und Tolles, dass man überhaupt die Möglichkeit hat zu sagen, hier ist ein Foto und theoretisch kann es die ganze Welt, wenn ich genug Follower habe, kann die ganze Welt sehen, was für tolle Fotos ich mache. Ist eigentlich erst mal eine schöne Sache. Wenn ich aber mein Selbstvertrauen und mein Selbstwertgefühl dann daraus ziehe, und das ist natürlich tendenziell vielleicht dann doch bei jungen Leuten eher eine Gefahr als bei älteren, dann wird es natürlich schwierig. Weil grundsätzlich, auch da ist es evolutionär psychologisch erstmal sinnvoll, dass ich sozusagen die Bestätigung meines Stammes, also quasi der anderen Menschen um mich herum, suche, dass mir die wichtig ist. Das ist gut. Also früher wäre man, ganz platt gesagt, verhungert, wenn mir meine Gruppe nicht wohlgesonnen ist. Allein habe ich keine Chance. Also, dass der Mensch so ein soziales Wesen ist, das hat schon alles seinen Sinn. Aber natürlich, wenn ich jetzt glaube, dass sozusagen die Likes, die ich für mein Foto oder für meinen Post bekomme, dass die auch überlebenswichtig sind, dann mache ich natürlich einen großen Fehler. Wenn ich sozusagen mein Seelenheil oder mein Selbstwertgefühl davon abhängig mache, dann wird es natürlich kritisch. Weil a) sind das ja teilweise Leute, die mit mir gar nicht wirklich viel zu tun haben, b) ist es auch gar nicht oft in meinem Einfluss. Also wenn mein letztes Foto weniger Likes hat als mein vorletztes, kann das an 1000 Dingen liegen, die überhaupt nicht in meiner Kontrolle sind. Der Algorithmus hat es weniger Leuten gezeigt, ich hab’s zur falschen Zeit gepostet, was auch immer. Wenn ich da sofort denke, huch, ich habe was falsch gemacht oder – noch übertriebener – die Leute mögen mich nicht mehr, was eben glaube ich tatsächlich bei Jugendlichen unter Umständen schneller passiert, dann wird es natürlich gefährlich. Aber eben wie gesagt, grundsätzlich ist erst mal die Gleichsetzung Selbstwertgefühl und Selbstbestätigung durch andere per se nichts Schlechtes. #00:31:17.3#

 

Roland Schäffer: Da muss ich doch tatsächlich aber noch mal nachhaken. Und zwar hat Benny gerade eben gefragt so quasi, inwieweit da vielleicht dann auch der Staat eingreifen sollte? Jetzt will ich da dich gar nicht darauf festnageln. Aber wenn du sagst, dass dieses Problem oder dieses Thema, dass es öfters mal jüngere Menschen, die noch vielleicht nicht diesen Mechanismus haben, wie kann ich diese Bestätigung aus meinem Umfeld kriegen, kriege ich die aus dem Internet, sollte das dann vielleicht doch auch ein Thema sein, das in der Schule halt auch ein bisschen besprochen wird, weil das doch auch gewisse Gefahren birgt? #00:31:51.5#

 

Christoph Koch: Auf jeden Fall! Ich bin immer ein bisschen skeptisch, wenn man quasi so Verbote und sozusagen auch Eltern haben ja oft ein bisschen so die Frage, ab wann darf man, ab wann soll mein Kind das und das benutzen dürfen? Ich find‘s immer schwierig, da so Altersregeln und irgendwie zu sagen so, Instagram erst ab 16, TikTok erst ab 18, das bringt, glaube ich, nicht so wahnsinnig viel. Auch wieder hat man früher bei Musik, Kinos, Comics gesehen, der Reiz wird eher größer, wenn es verboten ist. Sondern tatsächlich, was du gesagt hast, die Lösung liegt viel eher eben drin darüber zu sprechen und aufzuklären und sozusagen das obliegt dann meiner Meinung nach sowohl den Eltern als auch eben der Schule, wirklich zu zeigen, was passiert da. Auch eben wirklich so: Was bedeutet denn so ein Like? Wie entsteht das? Und so weiter. Was steckt dahinter? Das, was ich eben auch gerade beschrieben habe mit diesen Algorithmen, dass da auch wirklich Dinge passieren, auf die wir gar keinen Einfluss haben. Was auch erst mal nicht böse und schlecht und verwerflich ist, aber was einem vielleicht ein bisschen klar sein muss. Und das sozusagen früh den Kindern und Jugendlichen beibringen, damit sie dann eben tatsächlich das selbstbestimmt nutzen können, das ist, glaube ich, ganz, ganz wichtig. Gleichzeitig muss man sagen, passiert auch in der Industrie auch schon einiges. Zum Beispiel geht’s jetzt los, ich glaube, bei Facebook und Instagram kann man sich jetzt entscheiden, dass man sich diese Metriken, also die Anzahl von Likes zum Beispiel, gar nicht mehr anzeigen lässt. Man kann dann eben noch sehen, ja, mein Foto hat Leuten gefallen, aber man hat nicht mehr sofort diesen Zähler, waren es jetzt 47 oder 147? Und das kann schon mal so ein bisschen den Druck und die Vergleichbarkeit und eben auch den Zwang, das müssen irgendwie mehr werden oder ich brauche mehr als mein bester Freund oder ich brauche mehr als gestern, ein bisschen reduzieren. Da gibt’s eben auch schon erste Trends, die das erkennen und ein bisschen sagen, vielleicht sind weniger solche Zahlen und Metriken sogar dann auch hilfreich.   #00:33:59.1#

 

Benjamin Krebs: Sehr gut! Dann können wir da ein bisschen an der ein oder anderen Stelle schon proaktiv gegensteuern. Das ist super. Du hast in deinem Buch „Digital Balance“, du hast vorhin gesagt auch, den ein oder anderen Tipp mitgegeben. Einer der Tipps, wie wir vielleicht auch öfter mal eine Pause von der Online-Welt einlegen können, ist, sich eine hässliche Handyhülle anzuschaffen. Was steckt denn da dahinter? #00:34:24.6#

 

Christoph Koch: Das ist natürlich zugegebenermaßen schon eine der eher kurioseren Tipps vielleicht für die ganz harten Härtefälle. Da ist die Idee eben dahinter, dass wenn ich als jetzt vielleicht hartgesottener Bayern-Fan zum Beispiel mir eine BVB-Hülle kaufe oder umgekehrt. Ich zumindest schon mal in der Öffentlichkeit das Teil dann vielleicht nicht ganz so oft raushole oder eine kleine Hemmung irgendwie habe. Und manchmal reicht’s ja schon, so kleine Reibungsflächen einzustreuen. #00:34:52.1#

 

Benjamin Krebs: Man sieht, du hast dir da viele Gedanken gemacht. Das ist cool. Jetzt ist es ja auch so, wir haben es vorhin schon mal ganz kurz angesprochen, wir erleben es auch tagtäglich, bei uns ist ja das Thema Connection und online zu sein auch einfach Teil des Berufsalltags. Das heißt, wir sind connectet beruflich, wir sind connectet dann wieder privat, um mit Menschen, Familie in Kontakt zu bleiben. Jetzt ist natürlich immer noch das Offline-Leben auch ein wichtiger Bestandteil. Aber dadurch, dass Arbeit und Privatleben immer mehr online passieren, auch jetzt in Zeiten der Pandemie, wird es vielleicht noch schwieriger sich zu disconnecten. Was ist da aus deiner Sicht die beste Balance oder wie kann man das hinbekommen, dass man eben diese Balance behält? #00:35:38.2#

 

Christoph Koch: Ich glaube, im Berufsleben ist tatsächlich, sind wirklich Absprachen unter den Kollegen im jeweiligen Team, in dem ich arbeite, ganz wichtig. Also, dass man wirklich sich darüber verständigt: Was sind die Kanäle, die wir nutzen? Wer muss wann erreichbar sein? Was sind Reaktionszeiten, die wir für angemessen halten? Also sprich, wie schnell muss ich eine Mail beantworten? Muss sich eine Mail beantworten am Wochenende, wenn es wirklich brennt und jemand ist im Urlaub und man muss diese Person erreichen, was ist dann eben tatsächlich der beste Weg? Wenn man das nicht abspricht, wenn man so ein bisschen sagt, ja, das machen wir so nach Gefühl und Wellenschlag, dann wird es immer so einen Wettlauf geben natürlich zu den Leuten, die so die schlechteste Work-Life-Balance haben und einfach 24/7 online sind und einfach auch nachts noch um Drei Mails rausfeuern, und das ist dann der Standard. Dann ist es vielleicht ein bisschen schwierig. Sondern man muss das besprechen. Ein anderes wichtiges Thema, glaube ich, sind auch die Tools. In den letzten Jahren sind ganz tolle neue Möglichkeiten aufgekommen, Slack und solche Office-Chats, nenne ich es mal, sind ja eins davon. Die können super sein, weil sie so ein Endlos-Mail-Pingpong irgendwie verhindern. Aber wenn die Leute 24 Stunden Slack offenhaben und reingucken, weil sie denken, ich darf keine Sekunde nicht da sein, sonst verpasse ich was, dann ist es ja auch megaineffizient. Und selbst der Gründer von Slack sagt zum Beispiel, das ist nicht der Weg, wie man es nutzt. Sondern quasi, mach auf, schau rein, gucke, was dich betrifft, deine Channels oder deine Themen, beantworte die Sachen und gehe wieder raus und mache ein paar Stunden deinen Kram, und dann gehe wieder rein. Das gilt fürs Mailprogramm eigentlich ein bisschen ähnlich, auch nicht die ganze Zeit offenlassen und von jedem Kleinkram sich ablenken lassen, sondern eher stapelmäßig die Sachen abarbeiten und dann wieder zumachen. Und noch dritter Ratschlag, was auch einfach wichtig ist, ist letztlich das Verhalten von Vorgesetzten. Also sprich, dass die nicht die eine Sache predigen und dann die andere machen, also sprich, eben sagen, nein, nein, uns ist eine gute Balance wichtig, am Wochenende muss keiner irgendwie seine Arbeitsmails checken, und dann trotzdem jedes Wochenende fünf davon ans Team schicken. Dann ist das natürlich ein anderes Signal. Also da auch ein bisschen sozusagen müssen die Vorgesetzten das vorleben, was sie eben mit ihrem Team vereinbart haben, sonst wird es eben auch wieder schwierig und entwickelt sich auch wieder so ein, nicht Race to the bottom, sondern Race to the 24/7. #00:38:16.3#

 

Roland Schäffer: Macht sehr viel Sinn. Habe ich auch noch nicht so drüber nachgedacht, dass es vielleicht diese klaren Strukturen vom Unternehmen in dem Fall geben muss, damit eben dieses Race verhindert wird. Doch, wirklich neue Erkenntnis für mich. Wir hatten im letzten Podcast Kai Diekmann zu Gast und der hat mal getwittert: Der Applaus des Social-Media-Publikums ist mein Doping. Also gebt euch bitte ein bisschen Mühe. Warum fahren wir denn eigentlich so sehr auf diese Likes, auf diese Herzchen ab? Ist es irgendwie Dopamin oder ist es die Selbstbestätigung? Was steckt da dahinter? #00:38:51.5#

 

Christoph Koch: Es ist interessant, dass Herr Diekmann da Doping als Bild nimmt. Weil er meint es, glaube ich, im Sinne von, das ist mein Ansporn, gebt mir mehr davon, das ist mein Treibstoff. Aber Doping hat ja auch ganz negative Seiten. Wenn man sich mal jemanden, einen Bodybuilder anguckt, der zehn Jahre gedopt hat, der hat dann unter Umständen einen Rücken voller Pickel und eine kaputte Leber und Niere. Diese Schattenseite hat vielleicht Herr Diekmann gar nicht gemeint, aber die ist, glaube ich, bei dem Social-Media-Dings genau beides vorhanden. Man ist natürlich beflügelt, man freut sich über jeden Post, der durch die Decke geht, und wenn irgendwas viral geht, weil es irgendwie oft geretweetet wird oder jemand Großes draufspringt und man eine Riesen-Sichtbarkeit erhält, klar, dann ist das ein totaler Push und euphorisierend. Aber wenn man dem natürlich dann sozusagen nur nachhängt und sozusagen versucht, das wieder zu erreichen, wird es schwierig. Und Dopamin ist da ein ganz wichtiges Stichwort, weil das ist tatsächlich genau das, was unser Gehirn da ausschüttet. Der entscheidende Faktor ist dabei die Zufälligkeit, also dass wir es eben nicht berechnen können. Und das gilt für ganz vieles. Wenn wir unseren Mail-Account öffnen, wissen wir nicht, was uns für Mails erwarten: Katastrophe, Beförderung, Heiratsantrag? Ist quasi alles drin sozusagen in der großen Wundertüte. Wenn ich einen Social-Media-Post absetze, das kann ein totaler Flop werden oder eben wie gesagt, viral gehen und tausendfach geretweetet werden. Man weiß es einfach nicht. Und diese Zufälligkeit, das haben Verhaltensforscher schon in den 70ern nachgewiesen, das ist das, was uns kickt. Das ist ja auch ein bisschen das, was bei Glücksspiel funktioniert. Wenn wir quasi wüssten, wenn ich Lotto spiele, gewinne ich jedes zehnte Mal ein Zehntel meines Einsatzes, dann wäre es wahnsinnig langweilig und niemand würde es machen. Aber die Unberechenbarkeit ist ja der Kick. Es gab dann auch ganz spannende Experimente mit Tauben zum Beispiel. Die konnten so einen Schalter picken und haben dann immer jedes siebte Mal eine Futterpille bekommen. Wenn das regelmäßig war und man hat diesen Mechanismus irgendwann ausgeschaltet, da haben die irgendwann aufgehört zu picken, weil sie gemerkt haben, früher gab‘s jedes siebte Mal ein kleines Nugget zu essen, jetzt gibt’s nichts mehr, dann picke ich auch nicht mehr. Wenn man das vorher aber zufällig gemacht hat, also sprich, auch gesagt hat, du pickst halt auch zehnmal und es kommt nichts, aber beim elften Mal kommen gleich drei oder vier, und dann kommt wieder lange nichts, wenn das eben zufällig war und die Belohnungen variiert wurden, dann konnte man diesen Mechanismus ausschalten und die Tauben haben trotzdem nie aufgehört zu picken. Sozusagen dann waren die hooked, weil eben dieses Unberechenbare und Ungleichmäßige. Wie gesagt, das funktioniert bei uns genauso. Das ist das, was das Dopamin viel, viel stärker auslöst bei uns im Gehirn. Und Dopamin ist eben, wissen ja die meisten, sozusagen das, was einfach positive Assoziationen auslöst. Haben wir bei gutem Essen, haben wir beim Sex, haben wir bei Kokain, haben wir bei all diesen Sachen, die eben toll sind, aber auch sofort den Impuls auslösen, will ich mehr, will ich öfter, und eben zu viel ist dann auch wiederum in den allermeisten Fällen nicht gut. #00:42:23.5#

 

Benjamin Krebs: Spannender Vergleich und eine interessante Analogie. Das mit den Tauben, das habe ich in der Form, witzig das zu hören, dass die Zufälligkeit da so eine wichtige Rolle spielt. Damit würde ich gerne in Richtung Verzicht auf das Internet gehen. Du hast gesagt, in deinem Experiment vor zehn Jahren oder über zehn Jahren mittlerweile schon hat das für die 40 Tage ganz gut geklappt. Mittlerweile ist es, glaube ich, noch viel stärker in unseren Alltag integriert, hat noch viel mehr Bedeutung für unser berufliches und privates Leben gewonnen. Auch sehr viele positive Aspekte, es ist in vielen Bereichen mit Sicherheit eine Erleichterung für uns. Nichtsdestotrotz ist es, wie gesagt, wichtig, dort die richtige Balance zu finden. Darum geht’s ja auch in deinem Buch, in deinem aktuellen. Und da wäre die Frage, weil du hast gerade gesagt, Glück, Zufriedenheit, vielleicht auch Freude oder zufällige Freude wird durch Konnektivität häufig erreicht, aber natürlich auch durch andere Dinge. Deswegen unsere Frage: Wie schaffen wir es, dass wir online und offline im besten Maße kombinieren, um glücklich und zufrieden zu leben? #00:43:35.8#

 

Christoph Koch: Genau! Das ist natürlich tatsächlich ein bisschen das, was ich versuche, in dem Buch eine schrittweise Anleitung dazu zu geben. Ich glaube, ein wichtiger erster Schritt, den sich jeder schon mal ein bisschen fragen kann, ist eben tatsächlich: Wenn ich das Gefühl habe, ich nutze das Smartphone, ich nutze das Netz meiner Meinung nach zu häufig, dann sich wirklich ein bisschen zu fragen: Was sind denn diese Momente, in denen ich dieses negative Gefühl habe? Ist das so ein Zeitvertun und Vertrödeln oder was sind sozusagen die negativen Stimuli, die da quasi irgendwie kommen? Und warum hole ich das Handy dann in der Minute überhaupt raus? Ist es Langeweile, drücke ich mich vor was anderem? Also ein bisschen erst mal sich selber fragen, was bringt mich sozusagen zu diesen negativen Momenten? Weil die positiven, die wollen wir irgendwie bewahren. Wenn man dann so ein bisschen rausgefunden hat, wie gesagt, ich nutze das dann häufig, um Selbstbestätigung zu bekommen oder aus Langeweile, sich dann natürlich ein bisschen zu überlegen, was könnten den alternative Quellen sein, um dieses Problem oder diesen Wunsch in mir sozusagen zu lösen? Das sind dann auch wiederum individuell sehr unterschiedliche Sachen. Wenn es eben um das Thema Zeitvertrödeln irgendwie geht, dann kann man sich vielleicht irgendwie überlegen, wie kann ich verhindern, dass ich so geistlos und unkontrolliert immer mehr Zeit verbringe? Wenn es um Selbstbestätigung geht, kann ich mich fragen: Was könnten denn andere Wege sein, mir die zu holen? Wenn es darum geht, ich suche die Verbindung zu anderen Menschen, dann eben auch sozusagen, vielleicht welchen Freund, welche Freundin könnte ich mal wieder anrufen und in echt treffen? Was ja mittlerweile zum Glück gerade wieder ein bisschen besser möglich ist, war ja lange schwierig. Aber so diese Fragen sich zu stellen, das ist, glaube ich, wichtiger als jetzt so Minuten zu zählen oder sozusagen zu gucken, ist meine Nutzung im grünen Bereich oder nicht. Sondern eher, wie gesagt, ein bisschen zu schauen, was suche ich da und wie kann ich es vielleicht anders finden? #00:45:46.7#

 

Benjamin Krebs: Okay, cool! Damit zusammenhängend würde mich auch interessieren, weil ursprünglich war es ja mal „Digital Detox“ oder eben „Offline“ vor 11 Jahren, mittlerweile bist du bei „Digital Balance“ angelangt: Warum ist das besser? #00:46:01.6#

 

Christoph Koch: Genau! Das war ja auch so ein bisschen die Erkenntnis oder der Erkenntnisprozess, den ich da selber durchlaufen habe. Und ich vergleiche es gerne ein bisschen mit dem Essen, wo wir auch mittlerweile gelernt haben, dass so eine Radikaldiät, klar, die kann vielleicht in Notfällen irgendwie auch mal eine gute Idee sein, aber eigentlich löst sie das Problem nicht richtig. Also wenn ich mich schlecht irgendwie ernähre und dann vier Wochen lang oder wie lange auch immer dann nur noch irgendwie Gemüsesuppe trinke und hinterher aber wieder genauso weiter futtere wie vorher, dann wird das nicht viel bewirken. Schlimmstenfalls ist es hinterher sogar noch schlimmer als vorher, weil ich dann versuche, das irgendwie auszugleichen oder eben diese Zeit, in der ich so gelitten habe, wieder rückgängig zu machen. Sondern eigentlich muss ich mir auch überlegen, was ist denn eine gute Ernährung, die mich trotzdem froh macht oder mit der ich gut leben kann, die mich zufriedenstellt, wo ich das Gefühl habe, ich esse gut und fühle mich wohl, und aber sie ist eben auch im Idealfall gesund und vernünftig und tut mir gut. Ich glaube, so ähnlich ist es eben auch mit der Frage nach dem Digital Detox, eben mal zu sagen so: Ey, ich mache jetzt ein Wochenende so einen Retreat oder eben im noch krasseren Fall, ich mache jetzt irgendwie hier eine Woche oder vier Wochen oder wie lange auch immer Komplettverzicht und dann aber hinterher geht’s wieder so weiter wie vorher. Bringt, glaube ich, wenig bis gar nichts, sondern eben eher sollte man sich ein bisschen grundsätzlicher fragen: Welche Weichen will ich denn langfristig anders stellen? Dann heißt es auch gar nicht, dass man auf alles verzichten muss, sondern vielleicht geht’s da eher so ein bisschen drum, von den ganzen sozialen Netzwerken, welches ist vielleicht das eine, das ich am besten und am gewinnbringendsten finde, und das nutze ich weiter und die anderen zwei oder drei, die mich eher stressen oder die mir eher negative Gefühle bereiten, die lasse ich sein. Oder ein Tipp, den ich gut finde und gerne gebe, ist auch ein bisschen vielleicht so Smartphone-freie Zonen in der Wohnung zu schaffen. Irgendwie zu sagen: Im Schlafzimmer oder am Esstisch, da muss es vielleicht nicht sein und da verbanne ich das so ein bisschen. Und da ist dann auch kein Ladekabel und diese ganzen Dinge, sondern das wohnt irgendwo, wo ich nicht permanent bin. Solche Umstellungen, die dann aber einfach ab da für immer gelten und nicht so jetzt vier Wochen Augen zu und durch und hinterher ist es wieder vorbei. Das ist, glaube ich, viel, viel sinnvoller und nachhaltiger als eben so eine Crashdiät. #00:48:30.2#

 

Roland Schäffer: Das erfordert aber auch ganz schön viel Ehrlichkeit mit sich selbst. Ich habe das tatsächlich mal im Internet gesehen, dass ein Freundeskreis das so geschrieben hat, dass sie alle ihr Handy quasi umgedreht auf den Tisch legen und der, der es als erstes umdreht, der zahlt dann. Vielleicht auch eine Möglichkeit, zumindest mal so im sozialen Umfeld ein bisschen den Druck zu erhöhen. #00:48:53.6#

 

Christoph Koch: Das ist ein guter Trick auf jeden Fall. Und könnte ich mir gut vorstellen, dass das wirkt. Und dann eben nicht alle am Tisch sitzen und in ihr Smartphone gucken, sondern dass das Gespräch und die Diskussion vielleicht ein bisschen länger lebendig bleibt. #00:49:07.2#

 

Roland Schäffer: Das stimmt. Laut einer Bitkom-Studie, einer Bitkom Research Studie sogar, im Jahr 2021 möchte jeder 10. Bürger in Deutschland im Jahr 2021 zeitweise auf digitale Medien verzichten. Jetzt hast du ja schon gesagt so, ich meine, es gibt so kleine Retreats. Ich stelle mir das immer so ein bisschen vor wie so ein Eremit oder man geht ins Kloster, vielleicht hat das Kloster auch keinen Empfang, wäre natürlich gut. Aber das Bewusstsein ist ja eigentlich schon geschärft laut dieser Studie, dass Menschen zu viel Internet, zu viel Medien konsumieren, oder doch nicht? #00:49:41.7#

 

Christoph Koch: Das ist eine gute Frage und das ist wahrscheinlich auch dann ein bisschen Ansichtssache. Du hast jetzt gesagt, jeder 10. möchte da zumindest zeitweise darauf verzichten. Jetzt weiß man nicht, sind das die richtigen 10 %, also sind das wirklich die, die ein Problem haben? Dann wäre es ja gut, dann hätte man genau die getroffen. Vielleicht sind es aber auch welche, die haben das gut im Griff. Weil davon gibt’s ja auch wahnsinnig viele, muss man sagen. Die meisten Leute haben ja eine okay Balance. Sozusagen das wäre spannend und vielleicht sind die, die wirklich ein Problem haben, eben die, die das am krassesten abstreiten und sagen: Nein, auf keinen Fall muss ich mal darauf verzichten. Das ist eben die große Frage. Aber grundsätzlich ist es natürlich schon so, dass das Bewusstsein sich dafür entwickelt hat und entwickelt, natürlich auch ein bisschen durch Gespräche, wie wir es jetzt irgendwie hier führen, dass das einfach ein Thema geworden ist. Und eben auch, ich hab’s vorher schon kurz angesprochen, die Industrie und die Hersteller da ja schon auch darauf reagieren. Man kann jetzt mittlerweile in eigentlich allen neuen Smartphones, ohne dass man irgendwas extra installieren müsste, kann man sein eigenes Nutzungsverhalten sich anschauen, wenn einen das interessiert. Man kann sehen: Wie oft nutze ich es? Wie lange, wie oft entsperre ich es am Tag? Welche Apps nutze ich wie häufig? Welche Apps führen dazu, dass ich es irgendwie entsperre. Also man hat on Board sozusagen schon eine sehr gute Statistik, um erst mal was über sich selbst zu erfahren, wenn man das möchte. Aber das musste es erst mal geben, früher war das gar nicht so einfach rauszufinden. #00:51:15.9#

 

Roland Schäffer: Mutiger Blick! #00:51:16.0#

 

Christoph Koch: Genau! Gleichzeitig gibt’s auch immer mehr Funktionen, eben so Sachen wie so Focus Time und so weiter. Also, dass man eben sich bewusst ein bisschen einschränkt. Dass man eben sagt: Ja, ich nutze das Gerät, aber vielleicht eben nur für bestimmte Dinge. Ich blende gewisse andere Sachen aus. Das wird gerade immer mehr. Ich glaube, auf beiden Seiten, sowohl bei den Konsumenten als auch bei den Machern und Herstellern hat sich da der Blick geändert und gibt’s ein Bewusstsein dafür. Und das ist ja erst mal super-positiv. Weil wie gesagt, es gibt Leute, die da anfälliger sind und die das mehr brauchen. Und je mehr so Stützen und Hilfsmittel denen an die Hand gegeben werden … Ich bin da auch selber überhaupt nicht frei davon. Das soll jetzt gar nicht so klingen, als hätte ich’s kapiert und hätte ich da den perfekten Weg gefunden. Ich struggle da auch selber noch haargenau so und bin immer im Zwiespalt mit mir selber und analysiere das immer wieder neu. Und merke so, es ist schwierig, und sozusagen den perfekten Zen-Zustand, den gibt es vielleicht auch gar nicht, sondern es ist ein konstanter Weg dahin. Und wie gesagt, je mehr Möglichkeiten man da hat das zu steuern, umso besser ist es ja erst mal. #00:52:34.1#

 

Roland Schäffer: Vielleicht noch eine provokative Frage kurz zwischendurch, die mich tatsächlich aber sehr interessiert. Was ist denn, wenn ich jetzt einen Freund oder eine Freundin habe, die tatsächlich, meiner Meinung nach, das zu viel nutzt? Wie oder wann, besser gesagt, würdest du denn so eine digitale Intervention starten? #00:52:55.2#

 

Christoph Koch: Gute Frage! Ich erwische mich selber auch immer dabei, dass ich das bei anderen Leuten schlimmer finde als bei mir selbst. Sozusagen die anderen Leute gucken dauernd ins Handy, ich gucke nur rein, wenn es richtig, richtig wichtig ist. Das denkt wahrscheinlich jeder von sich. Deswegen hat man immer so einen Einblick: Ah! Warum kann er denn nicht mal fünf Minuten das Ding aus der Hand legen? Ich muss jetzt gerade reingucken, geht ja nicht anders. Das ist, glaube ich, schon so eine Verzerrung, die man da hat und der man sich bewusst sein muss. Ich glaube aber, es gibt dann ja schon irgendwie Fälle, wo man vielleicht sagt, nein, es ist relativ eindeutig. Ich glaube, ich würde es dann nicht in dem Moment ansprechen, weil dann hat man immer so einen Reflex eben: Aber jetzt gerade muss ich halt gucken, wie Deutschland gespielt hat. Oder ich muss gucken, wann die nächste U-Bahn fährt. Dann ist man sozusagen immer in dem Moment. Ich würde es tatsächlich mal versuchen, vielleicht in der berühmten ruhigen Minute anzusprechen. Und eben dann auch ein bisschen diese Fragen zu stellen: Was sind die Auslöser? Was ist das darunterliegende Bedürfnis? Warum ist das dann in dem Augenblick so wichtig und wichtiger als alles andere? Vielleicht auch ein bisschen noch sich selber mit einbeziehen und eben auch sagen, dass man das auch kennt. Und nicht aus so einer Warte, ich mach‘s richtig, der andere macht‘s falsch, zu sprechen, weil da wird natürlich sehr schnell gemauert und zugemacht. Das wären, glaube ich, so ein bisschen die Ratschläge, wie ich es angehen würde. #00:54:27.1#

 

Benjamin Krebs: Ich glaube, das ist sehr hilfreich. Das ist super, Christoph. Du hast gerade gesagt, dann kommt die Nachricht, da muss man nachgucken vielleicht. Wir sehen es ja auch immer öfter, dass bei uns oder bei anderen die Nachricht kommt, deine tägliche Meditation steht wieder an. Eine Studie der Harvard University hat gerade den Spruch geprägt: Früher kannte man „An apple a day keeps the doctor away“, jetzt „One meditation a day keeps the doctor away“. Interessant, dass eben immer mehr Meditations- und Entspannungs-Apps aufkommen, die dann dazu führen sollen, dass wir unseren Stresslevel reduzieren und natürlich eben uns gesünder und besser in the moment fühlen. Da natürlich dann die Frage: Das heißt, wir brauchen jetzt auch unser Handy, um zu entspannen? Was ist denn diese neue Achtsamkeit aus deiner Sicht und ist das ein ganz neuer Smartphone-Hype, der da jetzt auf uns zukommt? Oder geht das auch anders? #00:55:26.2#

 

Christoph Koch: Genau! Erst mal kommt‘s einem wahnsinnig schizophren oder – wie sagt man – counterintuitive vor, man will weniger vielleicht irgendwie digital unterwegs sein, weniger ins Smartphone gucken, weniger Apps runterladen und dann soll man sich noch eine neue App runterladen, die das alles irgendwie besser macht. Aber ich glaube, man darf es auch nicht zu sehr oder zu schnell irgendwie abtun. Grundsätzlich ist erst mal Meditation tatsächlich wissenschaftlich nachgewiesen eine Sache, die funktioniert, die sozusagen sehr, sehr vielfältige positive Wirkungen hat. Ich selber muss zugeben, würde gerne das öfter und besser und regelmäßiger tun, und bin da auch immer eine Zeitlang wieder gut dabei und dann lasse ich es wieder sein und vergesse es wieder und fange wieder an. Aber ich kann jetzt nicht behaupten, eine jahrelang etablierte tägliche Meditationspraxis zu haben, leider. Aber von der Sache her ist es gut, da gibt’s, glaube ich, keine Diskussion. Wie das dann jeder einzelne macht, also wenn jemand sagt, ich brauche dafür keine App, sondern ich brauche nur einen ruhigen Platz, um mich hinzusetzen und mache das dann, dann umso besser. Wenn aber eben jemand sagt, nein, mir hilft das schon und eine App kann ja schon solche Dinge machen wie regelmäßig einem so einen Reminder schicken, dann kann sie einem tatsächlich auch ein bisschen beruhigende Musik vorspielen, man kann sich einen Timer stellen. Also sie hat ja schon viele Hilfsmittel, die das vielleicht leichter machen, eine Meditationspraxis zu finden. Also von daher würde ich sagen, sollte man sich nicht davor scheuen. Wie gesagt, wenn es ohne geht, auch okay, aber bevor man es gar nicht macht, dann lieber mit einer App. Ich kann mich dran erinnern, als ich mich mal mit Meditation beschäftigt habe, hat mir ein Experte gesagt, eigentlich, Meditationsbücher seien schon gut und wichtig, aber vor allem, weil man sich dann draufsetzen kann und dann sitzt man bequemer beim Meditieren. #00:57:20.6#

 

Benjamin Krebs: Sehr gut! #00:57:21.7#

 

Christoph Koch: Das ist fürs Smartphone vielleicht kein so guter Ratschlag, fand ich aber eine gute Einschätzung. Weil er eben auch meinte, na ja, Theorie, gut und schön, das Wichtigste bei der Meditation ist, dass man es erst mal einfach macht. Vielleicht gilt das eben auch für die Apps. Und wenn einem die Apps dabei helfen, es regelmäßiger zu machen, dann gut, und wenn man es ohne schafft, auch gut. Ein ähnliches Phänomen, falls es nicht zu weit führt, was ich auch empfehlen kann, was auch eben erst mal ein bisschen strange klingt, sind auch so Konzentrations- und Fokus-Apps. Eine, die ich zum Beispiel nutze, heißt Forest. Da kann man festlegen, dass man gewisse Webseiten oder Apps eine gewisse Zeit lang nicht nutzen will. Oder vielleicht sogar auch sein Smartphone für eine Stunde quasi ganz in Ruhe lassen will, weil man konzentriert etwas lesen möchte oder sich ganz in Ruhe mit jemandem zum Essen treffen will. Und wenn man dann sozusagen diese vorgenommene Zeit unterbricht, dann verwelkt ein virtuell gepflanzter Baum. Das ist natürlich so ein kleiner Anreiz, der vielleicht irgendwie auch manchmal kindisch klingt, aber es kann tatsächlich, also mir hat es schon oft irgendwie geholfen. Ich will dann konzentriert zum Beispiel irgendwie an meinem Buch schreiben und sage dann, jetzt nicht ins Handy glotzen, mache Forest irgendwie an. Und dann nehme ich es doch in die Hand und sehe, oh, schnell wieder weglegen, sonst verwelkt der Baum. Das sind so kleine Nudges, die schon irgendwie helfen können. #00:58:50.7#

 

Benjamin Krebs: Ja, Gamification. #00:58:50.7#

 

Christoph Koch: Also von daher. Genau! Ja, tatsächlich, genau wie du sagst. Und wenn man erfolgreich ist, dann hat man irgendwann nach ein paar Monaten da einen tollen Wald gezüchtet. Macht einem gute Laune. Man muss sich da selber so ein bisschen austricksen manchmal und solche Apps können da, glaube ich, auch ganz gut dabei helfen. #00:59:07.4#

 

Roland Schäffer: Das heißt, wenn du das nächste Mal auf ein Date gehst, dann fragst du erst mal: Wie sieht dein Forest-Wald aus? Zeig mir den mal. #00:59:13.0#

 

Christoph Koch: Genau! #00:59:15.7#

 

Benjamin Krebs: Sehr schön! #00:59:16.2#

 

Christoph Koch: Dann ist das Gespräch gleich ein bisschen konzentrierter, wenn nicht beide noch nebenbei immer ins Handy gucken. Das stimmt. #00:59:22.6#

 

Benjamin Krebs: Christoph, damit sind wir schon bald wieder am Ende unserer heutigen Etappe angelangt. Am Ende ist es immer so, wir brauchen natürlich auch immer noch ein bisschen einen Ausblick und eine Zukunftsvision. Ich habe für dich zwei Fragen, und zwar die erste Frage geht dahin: Wie sieht denn das Smartphone in zehn Jahren aus? Welche Funktionen wird es aus deiner Sicht noch haben? #00:59:46.2#

 

Christoph Koch: Ich glaube oder ich schließe mich der Meinung an, dass wir so ein bisschen Peak Smartphone erreicht haben, also sprich, dass so dieser Formfaktor kleines rechteckiges Teil mit einem Screen, das wir in der Hand halten und in die Tasche stecken, dass das so ein bisschen ausgereizt ist. Also da wird es wahrscheinlich noch weiter minikleine, inkrementelle Verbesserungen geben und die Kamera wird noch eins toller und es kann noch ein bisschen mehr. Aber da habe ich so das Gefühl, da sind die größten Sprünge gemacht. Ich glaube aber, in anderen Bereichen werden wir viel größere Innovationen noch sehen. Also wo ich zum Beispiel sehr gespannt drauf bin, ist so der ganze Bereich Voice, also Sprachsteuerung, Sprachausgabe. Das sieht man ja schon bei der Hardware jetzt mit so Ohrstöpseln oder bei der Software mit so digitalen Assistenten, Siri, Cortana, wie sie alle heißen, Alexa, Google Assistant und so weiter. Die können ja noch so mittelviel, aber verbessern sich, glaube ich, sehr rasant und werden noch viel, viel wichtiger werden. Ich glaube aber zum Beispiel auch, auch wenn Google Glass damals so katastrophal gefloppt ist, dass das Thema Brille nochmal wiederkommen könnte. Vielleicht sind es dann Kontaktlinsen, wer weiß. Aber da habe ich auch das Gefühl, dass man quasi gar kein Device mehr halten muss. Das könnte ich mir gut vorstellen. Und dass natürlich das Smartphone vielleicht dann als Steuereinheit für all das bleibt, glaube ich schon. Aber wie gesagt, ich sehe die spannendsten Veränderungen eher so ein bisschen in den Randbereichen. #01:01:19.5#

 

Benjamin Krebs: Okay! Vielen Dank, Christoph, dafür! Und jetzt wie versprochen noch die zweite und letzte Ausblickfrage, und zwar ganz persönlich. Auch du hast natürlich in deiner Aufgabe und in deinem Beruf als Redakteur musst du ganz viel recherchieren, auch online natürlich, und deswegen: Wie schaffst du es aktuell und natürlich auch in Zukunft, die Balance zwischen on- und offline persönlich perfekt hinzubekommen? #01:01:45.6#

 

Christoph Koch: Für mich ist tatsächlich ein guter Trick, dass ich, wenn ich sozusagen die Recherche abgeschlossen habe und was natürlich ganz viel online stattfindet und es dann bei mir ans Schreiben geht und auch ein bisschen damit dann ans Nachdenken und Konzentrieren und sich versuchen, ein bisschen abzuschirmen von den Einflüssen von außen, dass ich dann tatsächlich in die Stabi, hier in Berlin in die Staatsbibliothek irgendwie gehe. Da bin ich dann irgendwie nicht im WLAN eingewählt, es gibt ein Handyverbot, das relativ strikt durchgesetzt wird von grimmigen Menschen. Und alle sind ganz konzentriert und arbeitsam. Diese Atmosphäre, die hilft mir dann tatsächlich eben auch genau so ein bisschen diesen Modus zu wechseln eben von Sammeln und Recherchieren und Onlinesein eben hin zu Konzentration, fokussiert. Und wenn ich dann mittags nach Hause gehe und dann habe ich tatsächlich meistens mehr geschrieben, als ich zu Hause am ganzen Tag schaffen würde. Dann mache ich nachmittags halt noch eben E-Mails beantworten, die bis dahin so aufgelaufen sind und so weiter. Ist natürlich klar, dass nicht jeder jetzt den halben Tag immer in die Bibliothek fahren kann, um da ganz konzentriert vor sich hin zu werkeln. Aber trotzdem diesen Grundgedanken, nämlich irgendwie zu sagen, sich bewusst zu entscheiden, wann lasse ich sozusagen das Incoming, also so die Nachrichten, Mails, Messages, was auch immer, wann lasse ich die morgens an mich ran, sei es privat zu Hause oder dann vielleicht auch im Büro die erste Stunde oder so, diese Entscheidung bewusst zu treffen und eben sozusagen, okay, wann will ich diesen Switch quasi machen? Das ist, glaube ich, ein ganz entscheidender Tipp oder ein Hinweis, den ich gerne gebe. Oder wenn ich sage, wenn es eine Sache gibt, die ich so als Ratschlag mitgeben darf, dann eben wirklich so: Überleg mal, ob du die erste Stunde oder die ersten zwei Stunden des Tages vollkonzentriert an der Sache arbeitest, die deine Priorität sind, und erst dann eben deinen Mail-Account aufmachst und guckst. Weil meistens sind, wenn man ehrlich ist, die Sachen, die dann reinkommen, sind die Prioritäten von anderen Leuten. Und wenn man es schafft, erst mal, und wenn es, wie gesagt, nur die erste Stunde des Tages ist, sich auf seine Sache zu fokussieren, dann geht in den allermeisten Fällen die Welt ja nicht unter. Also quasi eine Stunde später erst die Mail gesehen ist ja bei den allermeisten jetzt nicht sofort ein Supergau. Aber man hat vielleicht schon viel geschafft, was eben sonst am Ende des Tages runterfällt. Was ich in den letzten Jahren immer wieder gehört habe, war eben der Satz: Ich bin den ganzen Tag online und bin den ganzen Tag am Machen und arbeite den ganzen Tag und habe am Ende trotzdem die eine Sache, die ich unbedingt machen wollte, nicht geschafft. Wenn man das sozusagen ein bisschen auf den Kopf stellt und vielleicht mit dieser Sache anfängt und erst dann eben, keine Ahnung, Slack aufmacht, die Mails anschaut, die Messenger checkt, dann ist vielleicht viel gewonnen. Das wäre so die eine Sache und die gilt natürlich wahrscheinlich in der Zukunft noch umso stärker und umso mehr. #01:04:57.2#

 

Sie haben Ihr Ziel erreicht.

 

Benjamin Krebs: Perfekt! Vielen lieben Dank, Christoph! Das hat mir echt Spaß gemacht. Das war eine tolle Etappe. Jetzt sind wir am Ziel angekommen. Und heute haben wir gelernt, wie man auch mit zehn Jahren Abstand zwei Bücher schreiben kann, die wirklich toll miteinander connectet sind. Wobei das eine aus der Experimentierlust und Erfahrung entstanden ist und das andere dann die eigentlichen Tipps, die alle Freunde und Bekannte dann von dir haben wollten, enthält. Was unsere Urinstinkte wie Neugier, das Sammlergen und auch die Stammesbestätigung damit zu tun haben, dass Digitalunternehmen eigentlich den Dollar für jede Minute Online-Zeit verdienen und warum das in ungute Situationen führen kann, auch darüber haben wir gesprochen. Und dann haben wir auch darüber gesprochen, wie wir mit einer vielleicht interessanten Trickkiste, nämlich BVB- oder Bayern-Hülle, je nachdem, welchen Fußballverein man bevorzugt, vielleicht den einen oder anderen Trick anwenden kann, um dann nicht online zu sein. Oder aber auch, wie man in Richtung Ernährungsumstellung denkt, statt den Jo-Jo-Effekt der Diät zu verfallen, auch darüber haben wir gesprochen. Auch über das Kuriosum, wie eine Meditations-App vielleicht dazu führen kann, dass wir unseren Digitalkonsum runterfahren und natürlich auch das Stresslevel. Und auch, wie ein digitaler Wald uns dabei unterstützen kann. Auch das war eine schöne Analogie, fand ich. Und am Ende sind wir zu dem Tipp gekommen, dass wir doch unsere eigenen Prioritäten als erstes Mal setzen sollten, bevor wir uns fremddiktieren lassen. Und für den einen oder die andere kann auch eine Bibliothek dabei helfen. Von daher vielen Dank, Christoph! Hat mir sehr viel Spaß gemacht, wieder ganz viel gelernt. Und ich freue mich auf weiteres von dir zu hören und zu sehen, auch in Zukunft. #01:06:59.8#

 

Christoph Koch: Ich danke fürs Mitnehmen. Danke, dass ich mit euch mitfahren durfte. War eine spannende Etappe. Ich habe viel gesehen aus dem Fenster und hat Spaß gemacht und ich hoffe, ihr nehmt mich das nächste Mal, wenn ich am Straßenrand stehe, wieder mit. #01:07:14.1#

 

Benjamin Krebs: Sehr gerne! #01:07:16.3#

 

Roland Schäffer: Damit sind wir heute leider schon wieder am Ende unseres Technologie-Dialogs. Vielen Dank nochmal an unseren heutigen Mitfahrer, Christoph, für die spannenden Ein- und auch Ausblicke. Und ihr wollt bestimmt den nächsten Podcast nicht verpassen. Ihr findet uns aufs Spotify, Apple Podcasts, Deezer, SoundCloud, YouTube und natürlich in der Dell Technologies Mediathek. Wenn euch die Folge genauso gefallen hat wie Benny und mir, dann würden wir uns sehr freuen, wenn ihr uns abonniert und eine kleine Bewertung dalasst. In der nächsten Folge dann sprechen wir über das Thema „Digital Food und Urban Pharming“. Ich freue mich auf euch. Bleibt angeschnallt! Ciao! #01:07:55.0#